Durch Mittelfinnland nach Süden
Nach Rovaniemi folgte ich zunächst der Westküste von Oulu nach Vaasa. Danach bog ich ins Inland nach Jyväskylä ab und von dort aus ging es über Tampere nach Turku in den Süden.
Helsinki war dann nur noch ein Katzensprung.
Finnland ist natürlich viel flacher als Norwegen aber es hat trotzdem seine Reize. Besonders die Seen und Schärenlandschaft im Süden sind sehr schön.
In Tampere fielen mir in der Stadt junge Menschen in seltsamen Outfits auf. Viele trugen überdimensional große Schwerter oder Äxte aus Kunststoff bei sich, hatten lila gefärbtes Haar und steckten in absonderlichen Roben. Ich dachte schon mir hätte einer LSD in den Joghurt gerührt. Auf Nachfrage beim Campingplatz-Personal stellte sich heraus, dass derzeit das Japanische Film- und Animationsfestival in Tampere ist. Na da braucht man sich ja nicht zu wundern.
Technik und Packen
Auf dem Weg von Oulu nach Vaasa regnete es mal wieder in Strömen. Ich hatte das letzte Mal in Inari getankt und erwartete das Aufleuchten der Tankwarnleuchte jeden Moment. Aber es kam nicht. Ich überschlug wieder und wieder während der Fahrt die mögliche Reichweite. Nein, verdammt die blöde Lampe hätte schon vor hundert Kilometern angehen müssen.
Schließlich wird es mir zu heiß und ich halte an und tanke. Siehe da, ich hatte Recht. Noch 50 km und ich wäre irgendwo liegen geblieben. Was soll der Mist?
Am nächsten Tag gehe ich der Sache auf den Grund. Ich finde unter dem Sitz an einem Stecker direkt an der Benzinpumpe ein loses Kabel. Verdammt!! Ein Kabel weiter und es wäre nicht die Warnlampe, sondern die Benzinpumpe gewesen und das hätte Durststop für das Maschinchen bedeutet.
Das nächste Ding ist, das beim Lampencheck, kurz bevor ich die Kiste starte, die Öldrucklampe nicht mehr leuchtet.
Bei solchen Dingen bekomme ich ein krankes Gefühl in mir, weil ich doch auf diese Maschine angewiesen bin. Und als ich bei Conrad-Elektronik das Voltmeter kaufte, habe ich gleich gesagt "alles aber bitte keine Elektroprobleme". Zur Beruhigung kaufe ich bei Clas Olson in Vaasa, einer Art Baumarkt und Elektrokette, ein paar Meter Kabel und ein paar Verbinder.
Am Ende beruhige ich mich, denn die Kiste läuft ja und eine Tankwarnlampe ist nun nix kritisches. Ich beschließe die Sache bis Helsinki weiter zu beobachten und dem dortigen BMW-Händler einen Besuch abzustatten. In Turku checke ich die Birne der Öldruckschalteranzeige. Dazu muss ich das halbe Cockpit zerlegen. Die Birne ist in Ordnung. Also stimmt irgendwas mit der Leitung oder dem Öldrucksensor selbst nicht. Ich baue alles wieder ordnungsgemäß zusammen und spanne und fette die Kette. Selbst am Bike rumzuschrauben und hinter diverse Verkleidungen zu schauen macht mir immer Mut, denn es zeigt mir, dass es am Ende nur eine Maschine ist, deren Prinzipen man verstehen kann. Und wenn ich die 5000-Zeilen-Programmiercode-Scripts von Majo verstanden hab, dann kann das doch eigentlich kein Problem sein ...
In wiederkehrenden Zyklen geistert mir der Spruch von Herbert Schwarz durch den Kopf:
"Die meisten fahren viel zu schwer los und kommen nach einem Jahr mit einem Viertel an Gepäck wieder zurück". Ich hab auch noch immer zu viel dabei. Ich spiele abends im Schlafsack oder morgens vor dem Aufstehen durch was in welcher Kiste und was in der Gepäckrolle ist und ob ich es wirklich jetzt, auf dieser Etappe, brauche oder doch lieber zurückschicke. Generell ist das ganze immer ein Balanceakt zwischen Ordnung und Sauberkeit, Platz- oder Gewichtsersparnis. Müssen die Bits vom Schraubendreher nun wirklich in einer Kiste mit Schaumstoff sein? Brauche ich wirklich zwei paar Schuhe? Reicht nicht eine Hose? Und sind 5 Bücher (inkl. Reiseführern) wirklich tragbar?
Ich denke ich bin schon ein ganzes Stück weiter, denn die eine Kiste habe ich schon zur "if shit happens box" erklärt. D.h. da ist alles an Ersatzteilen, Bastlerzubehör, Werkzeug etc. drin. Alles was ich wirklich eigentlich, sagen wir mal, selten sehen will.
World-Traveller unter sich
Auf dem Zeltplatz in der Nähe von Helsinki fällt mir ein Bike auf. Es ist eine Afrika-Twin mit barbarischem Aussehen. Es gehört zu zwei Typen. Ich beobachte sie eine weile und gehe schließlich hin und spreche sie mit dem typischen "nice bike" an. Sie kommen aus Frankreich (Marseilles) und haben dieselbe Runde wie ich gedreht also Norwegen, Nordkap, Finnland und sind nun auf dem Heimweg über das Baltikum. Der Ältere scheint der Vater zu sein, der Jüngere hat dunklere Haut und ist dann wohl sein Sohn. Sie beiden scheinen fast genau zwei Woche hinter mir gefahren zu sein und hatten fast nur schlechtes Wetter.
Der Vater hat ein Gesicht das Geschichten erzählen kann. Es ist braun gebrannt und faltig. Ein Auge ist eigenartig zugekniffen, die Haare sind halblang. Er sieht durchtrainiert aus und strahlt Energie aus.
Wir kommen auf meine Pläne zu sprechen. Mein Gegenüber sagt sofort: "Verdammt das war bis vor zwei Jahren auch mein Traum!". Nur die Route war ein wenig anders...über China. Wir tauschen einige Dinge aus. Er erzählt, dass er letztes Jahr in der Türkei war und bis an die iranische Grenze herankam. Er hat zwei Italiener getroffen, denen das Bike in Teheran geklaut worden sei. In Istanbul kann man wohl dagegen nahezu alles offen stehen lassen, in Teheran soll es von dortigen Beamten beauftragte Diebstähle geben. "Schließ immer alles an, dann kann nix passieren. Der Rest des Landes ist safe!". Ok, also wieder das Problem mit den Großstädten. Dann ging es bei ihm weiter über Syrien, Jordanien nach Ägypten.
Wir zeigen uns gegenseitig noch unsere Bikes und tauschen ein paar technische Informationen aus. Ich lobe meine Reifen (Conti TKC 80). Er hat gerade eben seinen Hinterreifen auswechseln lassen müssen. Er meinte der Asphalt sei hier sehr rau und würde die Gummis sehr belasten. Man hätte gestern schon das Drahtgeflecht am hinteren Gummi gesehen…
Ich bewundere seine Seitenkoffer. Sie sehen sehr stabil aus ... wie aus einem Stück gefeilt. Er hat sie in Indien für umgerechnet 15 Euro das Stück anfertigen lassen. Das meine mal eben mehr als das Zehnfache gekostet haben, verschweige ich. Er hat wohl einige Zeit in Indien, unter anderem in einem Ashram, Zeit verbracht und kennt sich gut in den ganzen Visa-Formalitäten aus und gibt wichtige Hinweise. Auch empfiehlt er Varanasi, das spirituelle Zentrum Indiens, zu besuchen. Das will ich sowieso.
In ein bis zwei Jahren will er noch einmal über die Reise nachdenken.
Alles in allem eine beeindruckende Begegnung, denn wieder einmal weiß ich, ich bin nicht der Einzige der versucht Kontinente zu durchqueren.
Helsinki
In Helsinki laufe ich gleich erst mal bei dem in einem Vorort ansässigen BMW-Vertragshändler ein. Als ich den Mechaniker sehe, weiß ich sofort, der ist pfiffig und findet den Fehler schnell. Und tatsächlich ist der Öldruckschalter defekt. Ich bekomme eine Leihmaschine von der noch schnell das Preisschild mit den Zahlen 20.300 € entfernt wird und dampfe ab. Es handelt sich dabei um eine BMW RT 1200 und ich nenne das Ding nur den „schwulen Stier“. Keine Vibrationen, eine Sitzbank die so Bubi-weich ist und ein elektrisch höhenverstellbares Windschild. Aber am aller schlimmsten ist …. das Ding hat einen Tempomat!!! An einem Auto mit Automatik…gerne. An einem Motorrad…bitte, bitte nicht! Es ist so gruselig, wie sich der Gasgriff unter der Hand bei einem Reset auf eine vorher gespeicherte Geschwindigkeit von allein bewegt. Nein Danke! An einer Ampelkreuzung will ich es kurz wissen und lasse einen BMW 530 stehen. Ok, dafür reicht es aber ich möchte so ein Ding nur geschenkt haben!
Dann habe ich ganze zwei Tage um die Stadt zu besichtigen und kann sagen Helsinki ist lebendig und schön. Hier gibt es die vielen alten Gebäude, die in anderen Städten leider nicht mehr da sind. Ich wandere durch die zu Fuß gut begehbare Innenstadt zum Hafen, vorbei an der Helsinki-Kathedrale, zum Designmuseum (empfehlenswert) und weiter zur Felsenkirche. In einer Parkanlage direkt am Hafen liegen viele auf dem Rasen und genießen die Sonne und ein Eis. Das mach ich glatt auch. Am zweiten Tag fahre ich noch nach Soumenlinna (die Festung der Finnen) auf einer vorgelagerten Insel. Es handelt sich hierbei mal wieder um ein Unesco-Weltkulturerbe und wurde bis vor dreißig Jahren aktiv genutzt. Hier kann man jede Menge dicke Mauern und alte Geschütze bewundern.
Ich sag ja immer, die Sachsen sind überall. Und da treffe ich auf dem Zeltplatz in Helsinki natürlich zwei Leipziger. Wir unterhalten uns und ich bekomme sogar ein Bier angeboten, damit Zitat „ich den Geschmack nicht vergesse“. Ach weh…ich trinke doch nix…
Mit dem gebuchten Ticket für die Fähre nach Tallinn geht es weiter ins Baltikum.
Ein wenig wehmütig stehe ich gestern auf der Fähre und schaue in Richtung der entschwindenden Küste Finnlands. Es war schön in Skandinavien.
Aber ich muss weiter...immer weiter...
PS: Demnächst muss ich mal zum Friseur. Ich hoffe ich bekomme hier nicht so ein Stalin-Schnitt verpasst.
PS2: Immer wieder Dank für die vielen Kommentare!
Teilnehmer des Japanese Animation Festival in Tampere ... ohne Worte
Nein bitte nicht einpacken...den Raketenwerfer schraub ich gleich auf den linken Alukoffer am Moped
Offizier auf der Brücke (eines ausgestellten Zerstörers in Turku)
Zweitälteste Holzkirche Finnlands
Meine nächste Beteiligung - Bagdad Import/Export in Turku
Der schwule Stier - mein Leihmotorrad in Helsinki...peinlich
Felsenkirche in Helsinki...sehr schön
Helsinki-Kathedrale
3 Kommentare:
erster.
Viele Grüße von Davids Geburtstagsparty, die gerade im Gange ist.
Helge, Schäfchen, Knatter, Conners, David, Sandy, Peter, Putzi, Nadja
Na also Danke! Das war wirklich schnell!
Hallo Großer,
habs gerade von Mario erfahren, dass du die nächsten 2 Jährchen um die Welt tourst, mit deinem Bike.
Bin fett begeistert!!!!!!
Sport frei, Glück auf und Freundschaft, die Susi
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