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Samstag, 22. November 2008

Ich lern Farsi

Auf in den Iran

Nach einer Woche Warterei geht es los. Ich kann endlich verschwinden aus dem Bakay Hotel in Sanliurfa. Die Warterei hatte mich am Ende doch ein wenig Mürbe gemacht. Habe versucht das Ganze als Geduldsprobe im Rahmen der Reise zu sehen. Das half nur wenig.Dyabakir ist die Hochburg der Kurden in Ostanatolien. Über 90 Prozent der Einwohner sind hier angeblich Kurden. Beim abendlichen Herumstromern spricht mich ein junger Kurde an und wir unterhalten uns ein wenig. Bis vor 7 Jahren war es den Kurden nicht einmal erlaubt ihre Sprache zu sprechen. Das macht sich freilich für alle Kurden schlecht, für die Kurdisch nun mal die Muttersprache ist und das sind mal eben fast alle. Achmet glaubt, dass die Änderung der türkischen Politik gegenüber den Kurden nur auf Druck der Europäischen Union und den Wunsch der Aufnahme der Türkei in diese zu Stande gekommen ist. Eine Ehrliche Einsicht schließt er aus. Ich frage ihn, ob es für eine Alternative wäre einen kurdischen Staat aufzubauen. Er antwortet klar mit Nein. „Wir müssen lernen zusammen zu leben.“.Van ist eine der östlichsten großen Städte in der Türkei und liegt am gleichnamigen See.Der Weg von Dyabakir dort hin ist lang…und kalt. Langsam hält der Winter Einzug in Ostanatolien. Die Hochebenen und kleinen Höhenzüge liegen alle über 1500 Meter und es sind nur wenige Grad über Null. Der Van See liegt schließlich auf 1650 Meter Höhe und ist wirklich riesig. Ich brauche eineinhalb Stunden um am Seeufer entlang und durch die angrenzenden Höhenzüge nach Van zu gelangen. Van selbst ist eine Universitätsstaat und dementsprechend lebendig. Es gibt eine lange Konsummeile, auf der sich fast alles abspielt.In einer der Nebenstraßen frühstücke ich am nächsten Morgen. In einem kleinen Restaurant gibt es frisches Brot, Frischkäse und Berghonig frisch aus den Waben. Das stärkt mich für den Weg in den Iran. Ich ziehe mehrere Schichten aus Funktionsunterwäsche, langen Unterhosen und Pullover und zwei Paar Socken an. Selbst die Sturmhaube ziehe ich in den Helm. So viel hatte ich seit Norwegen nicht mehr an. Dann bin ich auf dem Weg…Dieser ist bis zur Grenze schon beeindruckend. Aus der Ferne sehe ich schon beim Verlassen von Van die schneebedeckten Berge. Die guten Straßen schrauben sich langsam hoch und ich überwinde am Ende einen Pass auf 2750 Meter Höhe. Auf der Nordseite der Hänge liegen Schneefelder. Es ist unter Null Grad kalt. Ich liebe mal wieder meine Griffheizung, die ohne Unterlass auf höchster Stufe läuft! Dann wieder Baustellen, Staub, Dieselgestank der vorbeiziehenden LKW’s.Drei Armee-Checkpunkte sind zu durchfahren. Auf meiner Seite muss ich nur zwei Mal den Reisepass vorzeigen und mich einmal in eine Liste eintragen. Auf der Gegenseite wird jedes Fahrzeug ausführlich durchsucht. Das scheint hier eine beständige Vorsichtsmassnahme am Rande Kurdistans und der iranischen Grenze zu sein. Die Soldaten bewundern natürlich mein Bike und mein GPS, sind aber sehr freundlich.

Spritparadies

Endlich an der Grenze. Bei den Türken geht alles sehr schnell. Dann öffnet sich das Stahltor nur für mich und ich bin im Iran. Dort ist es zunächst schwer die Zollbeamten von den Geldwechslern zu unterschieden. Die Herren vom Zoll tragen keine Uniform und weisen sich nicht aus. Aber auch das geht klar und ich bekomme alle Stempel die ich brauche und tausche noch 50 US-Dollar in Iranische Rial.Ein Kilometer hinter der Grenze will ich eine dieser Tankkarten kaufen, die man angeblich im Iran braucht um an einer Tankstelle Benzin zu bekommen. Aber ich werde abgewiesen. Nein, eine Karte bekomme ich nicht, ich könne auch so tanken. Das verunsichert mich ein wenig. Aber ich fahre weiter Richtung Tabriz. In der ersten Stadt auf der Strecke sind alle Schilder nur in Farsi und ich finde den richtigen Abzweig nicht. Zuerst hilft mir ein Motorradpolizist und später ein Autofahrer den Weg zu finden, indem sie vor mir her fahren. Die Abkürzung über die neue Schnellstraße quer über den Orumiyeh-Salzsee zu nehmen, erschien mir als schnellste Variante. Tatsächlich führt die Schnellstraße auf einem aufgeschütteten Wall quer über den See aber dennoch nicht gänzlich, denn das letzte Stück mit der Brücke wird erst am nächsten Tag freigegeben. So bleibt mir nur die Möglichkeit einer Fährfahrt auf die andere Seite. Auf der rostigen Auto-Fähre bekomme ich einen Tee und etwas Süßes von einem jungen Iraner aus der Telekommunikationsbranche ausgegeben und habe einen kleinen Schwatz mit einem anderen der etwa so geht:

Where are you from?
I am from Germany.
Ahhh, Germany. Beautiful country!
Thanks.
Yes, I love you, and especially Bayern Munchen! Oliver Kahn is best player!

Ja, das Fußball im Iran groß ist brauch man wohl nicht zu erwähnen.Als ich von der Fähre rolle ist es stockdunkel und es sind noch 90 Kilometer bis Tabriz. Aber auch die sind schnell bewältigt und schließlich wird mein Bike in der Lobby eines Hotels geparkt.Den folgenden Tag verbringe ich mit Siteseeing und Akklimatisierung.Zunächst hat Iran seine eigene Zeitzone. Es ist Deutschland zweieinhalb Stunden voraus. Irgendwie habe ich ein wenig Probleme mit dieser Zeitumstellung.Ja, aber wie ist es sonst in dem Land das im Weltspiegel nur verächtlich „der Gotteststaat“ genannt wird? Rennen denn alle ständig mit brennenden Amerika-Flaggen umher? Und transportiert ein drittel aller Autos Zentrifugen für die Anreicherung von Uran?Es ist alles so anders!

Ich bin Millionär!

Zunächst gehe ich in die Staatsbank (Bank Melli) und der Tausch von 200 Euro in Iranische Rial macht mich zum Millionär. Da westliche Kreditkarten aufgrund des Embargos im Iran nicht funktionieren, muss ich alles Geld das ich benötige mit in den Iran bringen. Der Umtauschkurs (EUR/IRR) beträgt 1:12776 und ich bekomme mehr als 2,5 Millionen Rial in 50-tsd-er Scheinen in die Hand. Das ist ein ordentliches Bündel Geld. Und hätte man mir die Summe in 1000-er Scheinen ausgezahlt, wäre eine Schubkarre für den Transport angebracht gewesen.Danach ist die blaue Moschee mein Ziel. Diese wurde bei einem Erdbeben im 18-Jhd. nahezu vollständig zerstört und erst im letzten Jahrhundert wieder aufgebaut. Viel ist leider von den ehemals tausenden blauen Kacheln außen und innen nicht mehr zu sehen.
Im benachbarten Aserbaidschanischen Museum sind mehrere Schulklassen von Mädchen unterwegs. In der Kunstecke schließlich werde ich umringt und eine Sprecherin wird vor die Klasse gestellt. „May I ask some questions?“ „Yes, sure!“. Dann hageln die Fragen auf mich herab. Wie lange ich schon unterwegs bin, wie ich Persien finde und warum ich überhaupt herkomme. Am Ende bedanken sich alle artig und laufen kichernd vor mir her.Nach einem langen Marsch über den Basar der angeblich überdachte Gänge in der Gesamtlänge von 35 Kilometer hat, spaziere ich am Abend in eines der Restaurants.Am Tisch hinter mir sitzen zwei Mädchen und zwei Frauen. Zum Essen bestelle ich ein traditionell iranisches Gericht bestehend aus einer Vorsuppe mit Gräupchen, einem Hauptgang aus Reis mit getrockneten Beeren darin und einem Stück Butter, dass in den Reis gerührt wird, einem Hühnerbein und einer gegrillten Tomate. Alles sehr lecker. Nach dem Essen steht plötzlich eines der Mädchen neben mir und fragt schüchtern in gutem Englisch woher ich komme etc.. Sie studiert Architektur und träumt von einer Reise nach Italien. Sie trägt den Hejab, das traditionelle Kopftuch, recht weit nach hinten und zeigt recht viel Haar damit. Nach ein paar Minuten kommt ihre Freundin und wie ich annehme die zugehörigen Mütter an meinen Tisch und Scherzen kurz, ich würde wohl im Iran nach einer Frau suchen. Nein ich bin nur als Tourist hier.

Die Farsis sind cool

Ich habe schon vor langem von der außergewöhnlichen Freundlichkeit der Menschen im Iran gehört. Nun erfahre ich sie selbst. Aber was ist das Besondere daran, wenn doch die Menschen in der Türkei oder Rumänien auch sehr freundlich sind? Es ist zuerst diese zurückhaltende Art, die freundlichen Blicke und das herzliche Nicken als Gruß. Dann gibt es den Moment in dem man merkt, dass sie allen Mut zusammen nehmen und einen sacht ansprechen gefolgt vom Moment der Freude in ihren Gesichtern, wenn das Gegenüber die wenigen englischen Worte versteht und auch noch erwidert. Aber auch die ständige Hilfsbereitschaft und das zügige Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse wenn nötig merkt man sofort. Die Menschen sind einfach zurückhaltender und sanfter. Das passt so gar nicht zum Bild des Irans das der Rest der Welt hat!Und Typen gibt es hier! Zumindest bei den jungen Männern ist nahezu alles an Mode und Look erlaubt und wird auch gelebt. Typen in Lederjacken, Röhrenjeans und Gelfrisuren marschieren in Gruppen über die Straße. Andere sehen aus wie Starsky oder Hutch und haben sich die Haare gefönt als gebe es kein morgen, tragen zerrissene Jeans und Hard-Rock-T-Shirts.Bei den Frauen ist natürlich mehr Zurückhaltung angesagt. D.h. der Hejab ist immer Pflicht und Arme und Beine sind immer bedeckt. Ansonsten geht da aber auch einiges und so scheint mir im Moment bei den Jüngeren die Kombination aus weißen Turnschuhen und Jeans und bei den etwas Reiferen Semestern hochhackige Schuhe und schwarze Anzughosen im Trend zu liegen. Und ich darf sagen, dass einige (!) Damen recht ansehnlich sind!
Auf dem Weg nach Teheran besuche ich die ehem. Festung Takht-e-Soleyman sowie das Oljeitu Mausoleum. Beide sind eingetragene gehören zum Weltkulturerbe.Besonders das Takht-e-Soleyman liegt malerisch eingerahmt von schneebedeckten Bergen.Im Zwischenziel Zanjan hält es mich nur eine Nacht und ich reite weiter Richtung Teheran.
Teheran ist Heimat für mehr als 15 Millionen Menschen. Ich dachte in Tabriz: „Was nur alle wollen? Der Verkehr hier ist doch gar nicht sooo schlimm!“. In Teheran ist das anders.Ich komme über die Azadi Avenue von Westen her in die Stadt, mit Sicherheit eine der längsten Straßen der Welt.Für eineinhalb Stunden heißt es Stop-and-Go. Was es so schwierig macht sind weniger die zwei Millionen Autofahrer, die versuchen jede Lücke zu nutzen und auch nicht die Busse, die bis auf wenige Zentimeter auffahren und einen derart Lauten Quietschlaut (als Hupsignal) ausstoßen können, dass es einem fast das Trommelfell platzen lässt. Nein, es sind die Millionen von Mopeds die quasi die Dichtmasse zwischen den Automobilen sind und mit teils waghalsigen Manövern versuchen den letzten Zentimeter zu nutzen und durch zu schlüpfen. Und die Leutchen (bis zu vier) darauf strahlen einen an und fragen dann noch bei der Fahrt nach dem Heimatland…auf Farsi. Ehrlich, ich glaube das sind die besten Fahrer der Welt. Und da meine ich Auto- und Mopedfahrer. Das Reaktionsvermögen und die Beherrschung des eigenen Fahrzeugs ist bei JEDEM Weltklasse. Trotzdem ist es gefährlich.Ich bin froh als ich mein Bike auf dem abgeschlossenen Hotelparkplatz abstellen kann.
Siebzig Prozent der Iraner (70 Millionen) sind keine 35 Jahre alt und in Teheran gibt es nicht eine Disko oder auch nur einen Nachtklub. Und auch öffentliche Konzerte, bis auf wenige Anlässe mit traditioneller Musik, sind verboten. Kann sich das jemand vorstellen?
Es gibt Kinos aber die spielen nur iranische Filme. Es gibt nur wenige Restaurants und kaum Teestuben. Verantwortlich dafür sind natürlich die Mullahs, die religiösen Führer des Landes. Und so ist es auch sehr schwer für mich ein Internet-Kaffee zu finden, denn diese werden genauso schnell wieder geschlossen wie sie geöffnet werden.Was es aber gibt, sind viele große Buchläden mit jeder Menge Literatur in Farsi. Das freut mich nun wieder, denn in der Türkei und vor allem in Syrien waren diese doch recht rar gesät und das Angebot spärlich.
Die fogenden Tage verbringe ich mit dem Besuch des Basars, des Golestan Palasts, den einer der letzten Shahs nach europäischem Vorbild erbauen lies und vieler Museen.
Ach und fast hätte ich es vergessen, billig ist es hier. Außer den Hotelpreisen ist nahezu alles derart preiswert, dass man als Europäer gar nicht mehr aus der Freude herauskommt. Oben benanntes Abendessen kostet z.B. 4 Euro, einer der viel verkauften frischen Milchshakes (0,5 Liter) ca. 80 Cent oder ein Kilo Mandarinen ebenfalls 80 Cent, ein Liter Benzin 8 Cent (!) mit Tankkarte und ohne 30 Cent. Auch dachte ich bei einem neuen Handy für 15 Euro oder ein paar Caterpillar Schuhen für 17 Euro schon mal über einen Lustkauf nach, konnte mich aber noch bremsen und investiere weiter in Essen…


Osttuerkei


Zwischen Tabriz und Zanjan


Oljeitu Mausoleum


Irgendwas flog bei Daemmerung von der Strasse auf und gegen meinen Frontscheinwerfer.


Tja, ich bin ein Killer...


Das man noch mehr als ich transportieren kann haette ich nicht gedacht.


Teheran Basar


High Tech Spielwiese in Teheran


Golestan Palace


Berge noerdlich von Teheran


...

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

mmääähhhhh.

Teheran ist geil, immer die verschneiten Gipfel im Hintergrund.
Letzte Nacht ist hier auch der erste Schnee gefallen. Geniß mal noch ein wenig die Aussicht ;-)

Anonym hat gesagt…

8 Cent für'n Liter Sprit klingt gut. In Down Under ist er derzeit für ca. 60 EuroCent zu haben. Nur als kleine Vorwarnung für nächstes Jahr... ;o)

Grüße aus Cairns und weiterhin immer mindestens einen Liter Sprit in deinem Tank!!!

Anonym hat gesagt…

Hallo Sascha, ich bin zurück aus Marokko, und der Blick den Du von Teheran in die nördlichen Berge hast, hatte ich so ähnlich auch...
Als wir über den Col du Tichka (2260m) im Atlas-Gebirge, Richtung Marrakech mußten, hat uns der Winter überrascht mit 10cm Schnee und Minusgraden. Wir mit Sommerklamotten auf dem Motorrad und ohne Griffheizung :-( aber wir haben es überlebt mit öfter Pausen und den Händen am Auspuff :-)
Dir scheint es ja gut zu gehen, das freut mich! Bleib auch weiterhin so schreib- und Bilderfreudig. Alles Gute...!
* Torsten *

Anonym hat gesagt…

Hallo Sascha,

habe mir heute endlich mal wieder Zeit genommen und Deine letzten 6 Posts nachgeholt. Es macht echt Spaß zu lesen und vermittelt ein ganz anderes Bild von Land und Leuten, als man es sich vorstellt. Bei den Bildern kann man echt neidisch werden.

Wünsche Dir weiter eine gute Fahrt und weiterhin viele nette Leute und positive Eindrücke.

Gruß Stefan G.

Anonym hat gesagt…

Ahoi Sascha,

wir hatten gestern (29. November) in Erfurt Jahrgangstreffen vom Heinrich-Hertz-Gymnasium. Nadine (Malina) hat mir von Deiner Reise erzählt und mich mächtig neugierig gemacht. Und sie hat definitv nicht übertrieben - mal abgesehen von der Intention und Dimension Deines Vorhabens - die Berichte und Bilder sind extrem beeindruckend, ja richtiggehend faszinierend. Mut hin oder her, für mich verdient es absoluten Respekt solch ein Abenteuer anzugehen und doch mehr und mehr von der Leichtigkeit des Seins getragen zu werden. Sich mit den Dingen wie sie sind zu arrangieren und nicht blind - nach guter alter Gartenzwergmentalität - nur nach weiteren Stautssymbolen zu lechzen. Ich freue mich auf Deine neuen Erlebnisse und drücke Dir die Daumen auf dass Du auf Deinem Weg immer die richtige Entscheidung triffst.

Michael Trauboth