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Freitag, 19. Dezember 2008

Eroberung des Subkontinents

Ok, habe lange nichts von mir hören lassen. War ein weiter Weg vom Iran bis an die indische Grenze und viel ist passiert. Daher nun viel Text und viele Bilder.

Abendschule in Shiraz


Unter Shiraz hatte ich mir mehr vorgestellt. Aber nach Esfahan ist es wirklich schwer als Stadt an einem Fluss im Iran auf der Bewertungsskala ganz oben aufzutauchen!
Jedenfalls sprach mich am Grab von Hafez, einem der größten persischen Dichter und Philosophen, ein Lehrer an und bat mich, doch am selben Tag einmal in seiner Abendschule vorbeizuschauen um den Unterricht aufzulockern.
Versprochen und gehalten rollte ich samt Bike kurz vor 18:00 Uhr vor der alten Schule vor und Ali, der Lehrer stellte mich und Stefan, den ich mit eingeladen hatte, erst dem Lehrerkollegium und dann den Schülern vor. Die Klasse der Abendschule bestand aus männlichen Teilnehmern zwischen Anfang zwanzig bis über fünfzig. Der älteste Teilnehmer hat eigentlich drei Jobs und war recht wissbegierig.
Nach einer halben Stunde hatten wir genug erzählt und verschwanden wieder.
In einem traditionellen iranischen Restaurant ließen wir den Tag bei köstlichen persischen Spezialitäten und Live-Musik ausklingen. Das gefiel nicht nur uns, sondern auch den reichlich anwesenden Einheimischen der besseren Gesellschaft, die zu einigen Liedern klatschten und mitsangen.
Persepolis liegt ungefähr 60 Kilometer östlich von Shiraz und war vor tausenden von Jahren die temporäre Hauptstadt des persischen Reiches. Die auf einem künstlichen Plateau errichteten Hauptgebäude sind freilich nur noch Überreste ihrer selbst. Klar lässt sich aber an den vielen kunstvollen Gravuren von Menschen und Tieren an den Wänden sowie den übergroßen Figuren an den Toren zur Stadt, der hohe Entwicklungsgrad dieser frühen Kultur erkennen. Besonders beeindruckt mich, dass der Stil, der natürlich so viel anders ist als die Dinge die ich in Syrien oder Jordanien gesehen habe, bei wirklich jeder Abbildung durchgehalten wurde. Da sitzt jede Locke im Bart des Perser-Königs Xerxes…auch bei der letzten Gravur.

Wüstenklima

Stefan und ich beschließen weiter zusammen zu fahren und auch den Grenzübertritt nach Pakistan im Bund zu wagen.
Aber bis dahin sind es noch einige Tage Fahrt. Wir müssen zuerst die über 500 Kilometer ins östlichere Kerman überwinden und dann über Bam zur Grenze. Auf der Karte lassen sich dabei einige Höhenzüge erkennen, die mit über 2500 Höhenmetern gekennzeichnet sind.
Die Fahrt nach Kerman wird in zwei Etappen gesplittet. Es stellt sich heraus, dass diese Entscheidung sehr gut war, denn die Höhe hat es in sich.
Schon auf der Fahrt nach Sirjan, zwischen Shiraz und Kerman, steigt die Straße schnell an und bald liegt Schnee links und rechts der Fahrbahn. Wir halten an, um uns bei einem Tee aufzuwärmen. Bald aber müssen wir weiter um die Tagesetappe zu schaffen. In Sirjan kommen wir durchgefroren an und genießen jeder eine halbe Stunde unter der warmen Dusche. Am nächsten Tag geht es die restlichen Kilometer nach Kerman und wir erreichen wiederum das rettende Hotel als Eisblöcke. Wir sind uns einig, dass wir die Höhe und die klimatischen Verhältnisse im Iran um diese Jahreszeit beide falsch eingeschätzt haben. Wir waren beide mind. die letzten drei Wochen nicht unter 1000 Höhenmetern im Iran. Und diese Höhe fordert um diese Jahreszeit ihren Tribut.
Nach einem Tag Rast in Kerman wird es Zeit das iranische Hochplateau und damit die Kälte endgültig Richtung Bam zu verlassen. Aber noch einmal geht es über 2800 Meter und wieder liegt Schnee (zwischen 10 und 20 Zentimeter) neben der Fahrbahn. Doch dann rollen wir bergab und das sonnige Wetter und die vielen Dattelpalmen in Bam erwärmen uns, zumindest innerlich, langsam für den Süden. Wirklich warm ist es aber immer noch nicht

Zwölf Sekunden…

Bam gelang 2003 zu trauriger Berühmtheit, als ein 12-sekündiges Erdbeben ein Drittel aller Einwohner der Stadt (40-tsd.) in den Tod riss. Ein solch markantes Ereignis, dass nur 5 Jahre zurück liegt, drückt einer Stadt natürlich ihren Stempel auf. Noch immer stehen viele Container an der Straße, die nun nicht mehr notdürftig bewohnt werden, sondern als Geschäfte und Werkstätten dienen. Der gesamte Bazar besteht z.B. aus Containern. Über all wird noch immer gebaut. Und der Baustil hat sich grundlegend verändert. Niemand baut mehr mit Lehmziegeln. Es wird massiv gebaut und zwar indem ein Stahlgerüst als Skelettstruktur des Hauses zusammengeschweißt und mehrere Meter tief im Boden verankert wird. Die Räume zwischen den massiven Stahlträgern werden dann einfach zugemauert und Decken werden in Beton gegossen oder in Hohlsteinen gelegt. Diese komischen Kästen passen irgendwie nicht zu den großzügigen Dattelplantagen ringsum aber sie geben den Einwohnern wohl ein sicheres Gefühl.
Untergekommen sind wir in Akbars Guesthouse. Akbar war mal Englischlehrer, führt aber nun schon viele Jahre ein kleines Hotel. Auch er hat bei dem Beben alles verloren. Drei seiner Gäste starben. Aber er hat nicht aufgegeben und hat wieder neu gebaut. Das neue Hotel steht schon und der Innenausbau soll bald weiter voran schreiten. In einem der ersten fertigen Zimmer schlafe ich.
Wir bitten Akbar uns den Friedhof zu zeigen und er erklärt sich bereit uns zu fahren. Auf der Fahrt erzählt er, dass das Beben in den ersten zwei Sekunden am stärksten war und viele Bewohner im Schlaf in den Tod riss. Auf meiner Frage, wie viele Menschen er verloren hat, sagt er nur … „48“. Als wir auf dem Friedhof ankommen weint er leise bei der Vorbeifahrt an den Gräbern. Komplette Familien liegen hier begraben. Im Hintergrund ist ein riesiger Schuttberg zu erkennen. Und das Leben geht einfach weiter…
Das die Zitadelle von Bam als Weltkulturerbe ebenfalls fast vollständig zerstört wurde, erscheint da fast nebensächlich. Die riesige nur aus Lehmziegeln erbaute und mit Lehm verputzte Anlage wurde durch die Schockwellen förmlich atomisiert. Uns gelingt sogar eine Besichtigung der sonst für Besucher gesperrten oberen Festungsanlage. Stephan fragt einfach bei einer geführten Gruppe von Ingenieuren, ob wir uns anschließen könnten und die iranische Gastfreundschaft lässt hier natürlich mal wieder ein ‚Nein’ nicht zu. Der Blick von oben auf die Zitadelle mit ihren einst mächtigen Mauern und hunderten Gebäuden offenbart, dass der geplante Wiederaufbau zu unseren Lebzeiten wohl nicht mehr zu schaffen ist. Schade!

Wer eskortiert hier wen?

Durch die Wüste Lut (Dasht-e Lut) fahren wir in einem großen Bogen nach Osten. Man hat uns gesagt, dass man die Grenze an einem Tag von Bam aus erreichen und überschreiten kann, um dann auf der anderen Seite zu übernachten.
Also starten Stephan und ich früh. Die Wüste Lut ist eine riesige sandige Ebene zwischen dem iranischen Hochplateau im Westen und einem Bergzug im Osten der von der Afghanischen Grenze bis nach Pakistan hinein reicht. Die Straßen sind schnurgerade und wir lassen es laufen. Viel Verkehr ist hier nun gerade nicht zu verzeichnen.
In Zahedan wird getankt und weiter geht’s. Bis zur Grenze sind es 95 Kilometer und es geht durch bergiges Gelände das als Drogentransportweg aus Pakistan und Afghanistan Richtung Europa bekannt ist. Auch sind die Balouchis (die Stämme dieser Region) nicht unbedingt beliebt bei den Iranern, denn es gibt immer wieder mal Streit zwischen den Stämmen bzw. mit der Zentralregierung.
40 Kilometer vor der Grenze werden wir an einem Posten angehalten. Das weitere Gebiet sei nicht ungefährlich und wir bekommen deshalb eine Eskorte. Nach zehn Minuten meine ich im Scherz zu Stephan: „Der Kollege hier hat sich ja angezogen als würde er nicht im Geländewagen, sondern im Freien fahren.“. Und tatsächlich will er bei einem von uns aufsteigen und mitfahren. Das reden wir ihm aber ganz schnell aus. Stephan hat gar keine Sozius-Fußrasten mehr dran und wo soll er bitte bei meinem ganzen Gepäck sitzen?
Also muss auf ein Auto gewartet werden, dass ihn mitnimmt. Eine Waffe hat der junge Grenzpolizist nicht. Dafür aber unsere Pässe.
Beim dritten Posten mit einem neuen Grenzbeamten beharrt man darauf, dass man doch bei uns mitfahren könnte. Wir stellen auf Stur. Ich fange an Druck aufzubauen und fordere die inzwischen 5 jungen Grenzer auf ihren Vorgesetzten zu holen. Die denken gar nicht daran. Ich erkläre, dass ich nicht verstehe was das soll und warum nicht der recht neue Toyota Hillux 20 Meter weiter bemüht wird. Der hat keinen Sprit mehr…ist die Antwort. „Ihr habt die zweitgrößten Ölreserven der Welt und keinen Sprit für einen Geländewagen der Grenzpolizei?“. Stephan wirft richtig ein, dass ja auch nicht wir sie eskortieren sollen, sondern sie uns! Nach weiteren 10 Minuten kommt ein verpennter Offizier aus einem Gebäude, steigt in den Toyota und fährt die 5 Minuten bis zur Grenze mit uns. „Herr je, war das ein schlechter Abgang für den Iran!“ denke ich!
Erst nachdem das Tor wieder hinter uns geschlossen ist, wird uns mitgeteilt, dass heute wegen eines Feiertages die Grenze geschlossen ist und wir doch bitte im Hotel in der großen Grenzstation übernachten. Toll! Wir finden nach einiger Sucherei das Hotel und werden von Christian aus Offenbach begrüßt. Er kam von der pakistanischen Seite und sitzt hier samt Lada Niva ebenfalls bis morgen fest. Beim Abendessen tauschen wir Geschichten und Empfehlungen aus.
Als wir am nächsten Tag den Iran verlassen, gibt Stephan einmal zu viel Gas und ist schon an der pakistanischen Grenzstation vorbeigeschossen. Kein Schlagbaum oder Tor markiert den Übertritt nach Pakistan. Die Gebäude sind geradezu winzig gegen die riesige iranische Grenzstation und der Zoll ist gleich mal 500 Meter weiter.
Und kaum sind wir drüben, ist es warm und man könnte sich die Kleider vom Leib reißen. Jetzt heißt es außerdem links zu fahren.
Auf dem weiteren Weg treffen wir noch ein deutsches Radfahrer-Duo aus Nürnberg die auch schon ihren Spaß mit den iranischen Grenzern hatten. Das scheint hier das Abschiedsgeschenk zu sein.
Als wir in Dalbandin, einem kleinen Ort auf dem Weg nach Osten, ankommen, ist das Hotel verschlossen. Auch hier ist Feiertag. Bei der Fahrt durch die Ortschaft wird das Ausmaß des Unterschiedes zwischen dem Iran und Pakistan erst deutlich. Die Straße ist schlecht und teils gar nicht asphaltiert, es ist staubig und die Seitenränder stehen vor Dreck, Müll überall, Männer sitzen auf bespannten Holzgestellen (so groß wie Betten) an der Straße und trinken Tee, es riecht schlecht.
Wir drehen wieder um und fahren zum verschlossenen Hotel zurück, weil wir keine andere Herberge sehen. Schnell bildet sich eine Traube von Menschen. Zum Glück sprechen ein paar Männer Englisch und schließlich findet sich jemand der den Besitzer anruft. Einer meint, er dachte die Grenze zwischen Deutschland und dem Iran wäre geschlossen. Es gibt keine direkte Grenze dazwischen, entgegnen wir. Ja ja, das wüsste er, natürlich liegt die Türkei dazwischen und dann komme erst Deutschland. Ein Weltbild herrscht hier!
Wie man uns ebenfalls erklärt, sind viele der auffällig großen Autos hier illegal, d.h. nicht zugelassen und versichert und schon gar nicht mit echten Papieren. Die Nähe zur afghanischen Grenze und die Polizei, die hier angeblich nichts zu sagen hat bzw. bestochen wird, machen es möglich.
Schließlich kommt der Besitzer und wir bekommen zwei schöne Zimmer für wenig Geld.
In Dalbandin gibt es keine zentrale Stromversorgung und bei ein paar abendlichen Besorgungen stehen viele Generatoren auf der Straße und produzieren Strom und Lärm. Beim Bäcker bestellen wir 5 Fladenbrote. Er fordert mich auf, mich zu setzen und wie im Accord wird von einem Helfer der Teig vorbereitet, der Bäcker selbst befördert sie an die Innenwand des Erdoffens, löst sie nach genau vorbestimmter Zeit mit einem langen Besteck geschickt wieder und der andere Helfer packt ein und kassiert. Wir haben ein wenig sprachlose Konversation, denn der Bäcker spricht kaum Englisch. Aber genau für diese einfachen Begegnungen bin ich unterwegs.
Ein Tag geht für die Akklimatisierung und die Suche nach Benzin in Quetta drauf. Hier herrscht gerade Benzinknappheit, weil die Einkaufspreise der Tankstellen nicht zu den staatlich festgelegten Preisen passen. Ein junger Mann aus einer guten Familie zeigt uns am Abend eine Tankstelle, bei der wir tanken und führt uns sogar noch in das große Haus seiner Familie.
Dann geht es weiter Richtung Sukkur im Hindus-Tal.
Der Abstieg von 1800 auf 100 Meter Meereshöhe bringt endgültig die Wärme zurück.
Ein paar mal halten wir an, um uns bei Militärposten in Bücher einzutragen. Die Bücher sind eine gute Informationsquelle um zu erfahren, wie viele andere Reisende hier durch kommen. Ein Buch ist so dick wie ein Taschenbuch und bei weitem nicht voll. Es beginnt Anfang 2007. Fest steht, dass der Durchreiseverkehr doch recht dünn ist und zum Teil Tage oder gar Wochen niemand vorbei kommt…vor allem in dieser Jahreszeit.
Ein Checkpoint weiter bekommen wir dann eine wirkliche Eskorte gestellt. Ein Jeep mit zwei bewaffneten Polizisten auf der Ladefläche. Da hat das dritte Welt Land Pakistan den Iranies was voraus.

Not fast enough...

Auf dem Weg Richtung Hindus (der Fluss) gibt es weite Täler die bereit sind riesige Wassermassen Richtung Indischen Ozean zu transportieren. Die Vegetation wird immer mehr und manchmal kann ich meinen Blick kaum lösen von den leuchtend grünen Feldern mit Zuckerrohr, Bananen und Reis. Nach mehr als zwei Monaten auf trockenen Hochebenen, Bergen und in Wüsten ist der Anblick dieser verschwenderischen Vielfalt an der wunderbaren Farbe Grün ein Rausch. In den Trockengebieten sieht man jeden Eingriff des Menschen noch nach Jahrhunderten. Das heißt jede Ladung hin geschütteter Abraum vom Straßenbau liegt wo sie liegt und verschandelt das natürliche Bild der Umgebung. Vegetation weiß diese Eingriffe zu heilen. Auf dem Erdhaufen wächst einfach Gras und ein Busch oder ein Baum und alles sieht wieder harmonisch aus.
Und weil die Straße Freude macht, wird Gas gegeben. Unsere Eskorte hat Mühe mitzuhalten. Bei einer Pause wird pakistanischer Tee gereicht. Er ist mit Milch und viel Zucker recht lecker. Aber wir verweilen nicht lang, denn die Strecke ist weit. Dies bewahrheitet sich vor allem am Ende, als die Straße 75 Kilometer vor Sukkur immer schlechter wird und der Verkehr zunimmt. Als die Ablösung der Eskorte nicht klappt, weil wohl gerade kein Polizeifahrzeug bei der Wache ist, hauen wir einfach ab. Bis zum nächsten Posten haben wir damit Ruhe vor den Jungs.
Überladene LKWs schnauben langsam durch Schlaglöcher und wirbeln den darin liegenden feinen Staub und die eigenen Dieselabgase auf. Der Gegenverkehr ist kaum zu erkennen und hat trotz einsetzender Dämmerung kein Licht an.
Beschleunigen, wieder einfädeln, Kopf raus und eine Lücke im Gegenverkehr erahnen, Gang runter, Spiegel rechts checken, Schulterblick, Gas, mehr Gas, Bremse, vor dem Minibus im Gegenverkehr links reinziehen, geht es auch links auf dem Seitenstreifen…? Wer hat in diesem Moment in meinem Kopf die Platte mit den Doors aufgelegt und den Titel „break on through (to the other side)“ auf volle Lautstärke gesetzt?
Schließlich in Sukkur ist der einzige Vorteil der Eskorte, dass sie weiß wo die Hotels sind. Sie liefern uns beim Ersten ab. Das will uns aber nicht haben (genug freie Schlüssel hängen am Brett). Wir fahren, mal ohne Aufpasser, zu einem anderen und lachen über die Preisvorstellungen dort bei dreckigen Zimmern. In der Royal Inn Pension kommen wir schließlich gut unter. Aber wenig später klingelt mein Zimmertelefon und die Polizei fragt, was für morgen der Plan sei. Ich sage, dass ich das noch nicht weiß und wir das morgen früh entscheiden. Die nerven!
Am nächsten Morgen gegen neun steht tatsächlich wieder ein Pickup vor der Tür. Wir wollen den Bikes einen Ruhetag verschaffen und mit dem Taxi nach Moenjodaro, der Ausgrabung einer 4500 Jahre alten Stadt, fahren. Der Fahrer kommt mit einem recht neu aussehenden großen Toyota Corolla (mit Standarte!!!). Der Preis wird verhandelt und los geht’s.
Der Taxifahrer fährt wie ein Henker. Er zieht zum überholen eiskalt hupend in den Gegenverkehr und danach wieder schnell rüber. Das scheint hier normal zu sein und klappt auch solange der Gegenverkehr mitspielt. Der Polizeiwagen fährt entweder hinter uns oder vor uns mit aktivierter Sirene. An den Distriktgrenzen wartet jeweils ein neuer Polizeiwagen und übernimmt. Diese ganze VIP-Behandlung geht uns zu weit und ist frustrierend.
Die Fahrt dauert über zwei Stunden und Ergebnis ist ein Museumsbesuch und eine große aber nicht wirklich beeindruckende Ausgrabungsstätte. Auf dem Rückweg fahren wir noch am Grabmal der Familie Bhutto vorbei. Hier liegen wirklich 4 Familienmitglieder dieser mächtigen pakistanischen Familie…alle ermordet. Benazir Bhutto wurde vor einem Jahr bei einem Bombenattentat getötet. Ihr Grab in dem riesigen Gebäude ist voller Blumenblüten und ist schon jetzt eine Art Wallfahrtsort.
Dann gibt der Fahrer noch mal richtig Gas (dachte schon mehr geht nicht …) und hält erst an als die Polizei Hunger äußert. Auch wir bestellen und essen etwas und bekommen am Ende die Gesamtrechnung aller Beteiligter (4 Polizeibeamte, Taxifahrer, Hotelbesitzer) präsentiert. Das macht uns sauer, denn die Leutchen hätten vorher mal fragen können. Wir beschließen, dass dem Taxifahrer vom Preis abzuziehen. Am Ende sagt aber der Hotelbesitzer, der uns ebenfalls begleitet hatte, dass er die Rechnung übernimmt.

Akzeptanz und geschlossene Grenzen

Nach einem Tag in Bahawalpur ist Lahore die letzte Stadt vor Indien. Die Strecke dahin dürfen wir sogar ohne Eskorte zurücklegen.
Mit 9 Millionen Einwohnern ist Lahore schon recht groß. Das Fort und die Badshahi Moschee sind wirklich beeindruckend. Aber ein Gang durch die Altstadt offenbart ein anderes Gesicht. Die Lebens- und Arbeitsumstände hier sind wirklich für einen Mitteleuropäer schwer vorstellbar. Und das Ganze hat nicht vordergründig etwas mit Armut zu tun. Es ist viel mehr die vollständige Akzeptanz der gegebenen und erlernten Umstände und auch leider eine große Lethargie, die eine Verbesserung unmöglich machen. Oft würden kleine Handgriffe viel bewirken aber die Aufmerksamkeit dafür fehlt. Am Anfang regt einen das innerlich auf, weil man nicht versteht, warum nicht gehandelt wird und mal die Straße richtig gefegt oder die Wand richtig gestrichen wird. Auch ist klar, dass vieles an mangelnder Bildung und nicht an mangelndem Geld liegt. Keiner fragt „Warum ist das so? Ist das richtig so? Wie kann man das besser machen?“.
Aber schnell versteht man, dass einen dieses Unverständnis nicht weiter bringt und gar eine unsichtbare Blockade errichtet, die einen von dieser Welt abschottet. Man muss also die Umstände akzeptieren, ohne sie vollständig zu ignorieren und sich auch vor einer Verurteilung der Menschen hüten.
Wenn ich aber gefragt werde, wie ich Pakistan finde, sage ich offen, dass die Menschen sehr nett sind aber das Straßenbild sehr dreckig erscheint. Vielleicht nimmt ja doch mal einer den Besen in die Hand.
Der Höhepunkt an diesen Tagen ist die Border Closing Ceremony in Wagha. Stefan und ich nehmen ein Taxi und sind pünktlich da, um dieses täglich stattfindende Schauspiel an einem Grenzposten zu Indien mitzuverfolgen. Da sind nun also zwei bunt angestrichene Tore und auf jeder Seite sind Tribünen errichtet auf denen mehrere Tausend Menschen Platz finden. Auf der pakistanischen Seite dürfen wir als Ausländer sogar ganz nah ran in die VIP-Reihe direkt an der Straße. Die Ränge in Indien sind brechend voll und bei uns in Pakistan vielleicht zu 75 Prozent.
Die riesigen indischen und pakistanischen Grenzbeamten in historischen Uniformen ziehen eine mächtige, mit sehr lauter Musik hinterlegte Show ab. Da wird marschiert, getrampelt und geschrieen was das Zeug hält...die Britten lassen grüßen. Dann noch die Fahne einholen, kurzer Händedruck zwischen den Offizieren und dann wird das Tor zugeschlagen, dass es nur so knallt. Ein riesen Spaß!


Moschee in Shiraz


Das "Tor zu allen Welten" in Persepolis


Teekränzchen in einem ehemaligen Hamam in Kerman


Über die Berge nach Bam


Wenn mal nicht genug Platz ist...dann eben anders...


Zerstörte Zitadelle von Bam


Neue Massivbauweise in Bam


Die Royal Enfield Bullet eines Engänders, der in unserem Hotel bei dem Beben umkam


So sehen in Pakistan Trucks und Busse aus


Neulich beim Bäcker


Der Stoff aus dem Träume sind


Teeküche an der Strecke


Die Kids hier...


Alte deutsche Druckmaschine...hier noch in Betrieb


border closing ceremony in Wagha

6 Kommentare:

Mario hat gesagt…

"...vieles an mangelnder Bildung und nicht an mangelndem Geld liegt. Keiner fragt „Warum ist das so? Ist das richtig so? Wie kann man das besser machen?""

Hmm Wer sagt denn, dass die westliche Welt alles richtig macht ? Die Jungs sind glücklich. Du klingst ein wenig nach Kolonialherr Dude... ;-) No offense aber fand ich komisch, dass zu lesen.... I am on my way to the cliffs... jaja ich kann gut reden ich hab ja ordentliche Straßen hehe Pass auf Dich auf und gruess mir chicken 65 !!

Anonym hat gesagt…

Määhh - endlich Urlaub.
Du hast ja wirklich so viel erlebt und geschrieben, das hab ich gestern Abend gar nicht mehr geschafft zu lesen.
Shiraz kenne ich eigentlich nur als Rebsorte, wusste gar nicht, dass es das auch als Ort gibt.
Bei dem Rest den du über Persien so schreibst, muss ich immer an Civilization Spiele denken ;-) von da kommt mir das alles bekannt vor.
Allerdings Erdbeben gibts da nie, so muss dass wirklich beeindruckend sein, im negativen Sinne, so einen Ort zu sehen.
Wo ich absolut ablachen musst, ist die Grenze zwischen Deutschland und dem Iran, die haben wohl nicht mitbekommen, dass wir den Krieg verloren haben !?
Ha, ha und weißt du was in Finns Adventskalender war heute ne Harley aus Schokolade drin.
Viel Spaß in der gemeinsamen Zeit in-dien.

Motorbike Desperado hat gesagt…

Nee alter Kolonial-Dude iss nicht!
Schreib ja nur, dass das meine Sache nicht waere so zu leben.
Ganz kauf ich die Sache mit dem "einfach nur gluecklich sein" aber auch nicht. Ich denke da hat sich einfach ein Gleichgewicht zwischen dem mit was man gerade so zu frieden ist und dem was man bereit ist zu aendern eingestellt.

Anonym hat gesagt…

Hallo Sascha,

wieder super interessant geschrieben. Man könnte glatt neidisch werden, wenn man bedenkt, dass du all die Dinge siehst die der normalo nicht im Leben zu sehen bekäme, da der typisch deutsche Proll immer nur nach Malle fliegt. Wir waren dienstlich schon in Theran und Shiraz, allerdings nur mit Koranschützer an der Seite und ohne Polizeieskorte. Wahrscheinlich hat dir dein "3-Tage" Bart da wirklich einen Vorteil verschafft. Aber eins kannst du mir glauben, ob du ein Taxi in Rom, Bangkok, Lagos (Nigeria), Algier, Istanbul, Dubai oder Berlin benutzt, es ist immer der selbe Fahrer am Steuer. Spricht kaum englisch, hat wahrseinlich keinen Führerschein und fährt immer wie M. Schummacher und sein Taxi ist ein Fiat Baujahr 1975 mit 1.000.000 km auf dem Tacho.
Noch einen schönen 4. Advent.

Viele Grüße von Daniela und Henry

Anonym hat gesagt…

es war mir eine Ehre, dich für eine Weile begleiten zu dürfen.

Und immer daran denken: links fahren, hupen und bloß keine Kühe überfahren

STEPHAN
Suratgarh/Ratjastan
Indien

Mario hat gesagt…

Well ... die sind schon etwas krass drauf "Gott will es so, also ist es so" Der Gewissenssündenbock ist gefunden da hast du schon Recht... aber ist es nicht leicht so zu leben ?