Gefahrene Route

Route in Google Earth/Google Maps verfolgen
Bilder in Google Earth/Google Maps betrachten

Freitag, 22. August 2008

Polen … Hosen runter

Rübermachen…

Als ich die Grenze zu Polen überquere verändert sich die Landschaft. Aus den flachen und leicht bewaldeten Ebenen wird eine leicht hügelige Auenlandschaft.
In jeder dritten Kuhle ist ein See und es sieht ein wenig aus wie bei den Hobbits aus „Herr der Ringe“. Erst mal ein wenig polnische Zloty am Automaten ziehen und ein Stück weiter Richtung Westen fahren. An Suwalki, im äußersten Nordosten Polens grenzt der Wigry-Nationalpark mit dem Wigry See. Ich fahre ein wenig herum und finde einen herrlichen, etwas abseits gelegenen Campingplatz auf einem ehemaligen Bauernhof. Die Seelage nutze ich gleich nach Ankunft um mich bei über 30 Grad Lufttemperatur abzukühlen. Danach fahre auf die Halbinsel nach Wigry, wo gerade rings um die Kirche ein kleiner Festtagsmarkt abgehalten wird. Gefeiert wird drei Tage lang das Fest der heiligen Jungfrau Maria, nach der auch die Kirche benannt ist. Das ist natürlich im katholischen Polen nix beiläufiges! Die Landschaft hier ist wirklich herrlich und gehört aus meiner Sicht zum östlichsten Teil der Masurischen Seenplatte.

Weiter geht es 300 km auf Landstraßen nach Warschau (Warszawa). Und Warschau ist verdammt groß. Nach Winston Churchills Aussage, hat er zu Ende des Krieges keine Stadt gesehen, die mehr zerstört war als Warschau. Da stand wohl kaum noch ein Stein auf dem anderen. Daher hatte man es sich zum Ziel gemacht Warschau neu ins rechte Licht zu rücken und baute extrem breite und schnurgerade Straßen die ins Zentrum führen. Eingezäunt werden diese durch „Neubauten“ aus den 50-er und 60-er Jahren, die sich oftmals noch immer nach einem neuen Anstrich sehnen. Direkt in Zentrumsnähe gibt es aber auch neue „Neubauten“, die aber aus meiner Sicht viel zu hoch in den Himmel ragen und einfach nur neuartige Plattenbauten sind.
Das wieder hergerichtete historische Zentrum ist freilich sehr schön und zu Fuß gut zu erkunden.
Und da ich einmal da bin, will ich nun auch wirklich alle Dinge sehen. Also Warschau…"Hosen runter".
Dazu gehört auch die Gedenkstätte „Umschlagplatz“, wo einst der Verladebahnhof stand, an dem die Juden des Warschauer Gettos in die Konzentrationslager geschickt wurden. Eine Gruppe israelischer Jugendlicher gedenkt hier gerade der Opfer und wird tatsächlich von 4 Typen in Zivil mit Knopf im Ohr bewacht. Ich frage mich ob das wirklich sein muss.
Vom Warschauer Getto ist leider nichts mehr übrig. Es wurde nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 komplett dem Erdboden gleich gemacht. Nur eine Steinmauer erinnert noch.
Auf dem jüdischen Friedhof besorge ich mir erst einmal vom Friedhofswärter ein Käppchen, denn Männer müssen das hier tragen. Außerdem sieht es hier aus wie Kraut und Rüben. Die Grabsteine stehen sehr eng und viele fallen fast um oder sind es schon. Bäume wachsen mitten aus den Wegen. Ich bin verstört und frage den Friedhofswärter bei Abgabe der Kappe warum es hier so aussieht. Er sagt nur „Ganz einfach, weil hier 60 Jahre keiner etwas gemacht hat.“. Das in sozialistischer Zeit hier nichts passiert ist, kann ich mir schon vorstellen. Eigentlich leuchtet mir das aber nicht ein, denn die Opfer des Nationalsozialismus wurden doch immer hochgehalten…wohl aber doch nicht alle. Warum nun aber in den fast 20 Jahren nach der Wende nichts passiert ist, kann ich mir nun wirklich nicht erklären.
Zu guter Letzt fahre ich auf die Aussichtsplattform des Kulturpalastes. Das ist mal wieder so ein riesiges „Stalingeschenk“, das immer an die „polnisch-sowjetische Freundschaft“ „erinnern“ soll.
Der Aufzug rast die 30 Stockwerke hinauf und man hat eine grandiose Aussicht über die Stadt. Am Abend tun mir die Hacken ordentlich weh!

Auf der Fahrt Richtung Süden ist es heiß. Die ersten 120 km sind flaches Land mit vielen Bauernhöfen und Äckern. Danach wird es welliger und waldiger. Und überall wird gebaut, an Straßen, Brücken und Gebäuden. Wenn es sich der Hausherr auch nur irgendwie leisten kann, so hat das Häuschen einen neuen Anstrich und neue Fenster. Vielerorts sind gar die ganzen Häuser neu. Es ist wirklich noch eine Boom-Zeit hier.

Krakau und der Horror

Krakau gefällt mir besser als Warschau. Es ist natürlich viel kleiner und hat einen klar abgegrenzten Stadtkern. Der Markt mit seiner zentralen Markthalle und den vielen Kaffees ist herrlich turbulent und wird von allen möglichen Sprachen beschallt. Ich mache auch eine runde über den Wawel , den ehemaligen Sitz der polnischen Könige, inkl. Drachenhöhle im Untergeschoss.
Ein weiterer Tagesausflug bringt mich nach Auschwitz. Man kennt ja die Geschehnisse aus endlosen Guido Knobloch-Dokumentationen im Fernsehen und möchte eigentlich sagen „Och nö Du, sei nicht böse aber nicht schon wieder das Thema!“. Aber wirklich mal da gewesen zu sein, ist freilich etwas anderes. Ich schaue mir die Lager Auschwitz I und Auschwitz-Birkenau an. Für letzteres brauche ich fast drei Stunden. Das Areal ist riesig. Die Schautafeln an einzelnen Objekten oder Arealen beschreiben einfach nur Fakten. Von den Gaskammern ist nicht mehr viel übrig. Sie wurden von den SS-Truppen zu Ende des Krieges zerstört. Aber zum Beispiel das Musterungs-Gebäude, in dem neue Häftlinge ihrer privaten Sachen und Kleidung beraubt, desinfiziert sowie uniformiert wurden gibt es noch. Einfach nur die Anordnung der Räume ist schon gruselig, weil alles für den Durchlauf von tausenden Menschen optimiert war.
Ich denke die Optimierung von Prozessen und der Blick für das Detail ist eine deutsche Stärke. Diese wurde hier ohne Frage absolut missbraucht und pervertiert.
Wichtig ist aber auch festzustellen, dass bei allen Erklärungen immer die Rede von „den Nazis“ ist. D.h. das in allen Gedenkstätten zwischen Deutschen und Nazis heute wie damals klar differenziert wird. Das finde ich gut.
Wenn dann noch Familienfotos mit Daumen hoch an den Gleisen von Auschwitz-Birkenau bzw. am Eingangstor zu Auschwitz I („Arbeit macht frei“) alla „Guck mal, hier waren wir schön in Auschwitz!“ gemacht werden, dreht sich mir der Magen um!
Als kleine Abkühlung mache ich auf der Rückfahrt nach Krakau noch einen Abstecher in die Bledower Wüste. Das ist ein großer Sandkasten mitten in Europa, in dem (ich weiß das passt nicht recht zum vorherigen Thema) schon Rommel Gerät für das Afrika-Corps testen lies. Ohne Koffer und mit dem Gedanken, dass ich nach Deutschland zurück fahre würde ich mich hier einmal probieren.

Irgendwo zwischen Warschau und Krakau war ich Leipzig wahrscheinlich am nächsten. Über das Nordkap habe ich ja Schwung für die weitere Reise geholt und natürlich spüre ich die Gravitation der Heimat. Natürlich fehlt mir auch das Bekannte und lieb gewonnene, die Menschen und Orte dort. Aber hätte sich der Halleysche Komet 1986 überlegen sollen „Ach hier im Sonnensystem ist es schön, hier bleibe ich.“ und als zweiter Erdtrabant in eine Umlaufbahn schwenken sollen?
Nein! Sein Weg war unverrückbar in Richtung All vorgegeben. Aber er kommt zurück (vorr. 2061)…wie ich (wohl früher...).

Morgen geht es weiter Richtung Slowakei und Ungarn. Ich freue mich endlich wieder Berge, wie die hohe Tatra und die Karpaten, unter die Reifen nehmen zu können. Die Kurven haben mir seit Norwegen gefehlt…


Wigry Nationalpark


Warschau


...mehr Warschau


Jüdischer Friedhof


Warschauer Kulturpalast


Kunst in Krakau


Bledower Wüste


Auschwitz-Birkenau

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

....määähhhhh....und gähhnnn, nicht vor lange Weile, aber es ist langsam müde.

Ja, solche Ghetto und KZ Besuche sind immer wieder unfassbar, zumindest für meinen Geist. Aber wenn man mal irgendwas aus der Geschichte und den Fehlern Anderer lernen will, muss man sich damit beschäftigen.
Der alte Friedhof in Stralsund sieht übrigens nicht viel anders aus ale der jüdische auf dem du warst.
Gute Weiterreise.

Anonym hat gesagt…

Das hier http://de.news.yahoo.com/ddp/20080814/twl-mit-klebeband-zusammengehaltene-harl-90a2141.html
war zwar kein Pole sondern ein Italiener, aber ich hoffe doch, dass dein Gefährt etwas stabiler und sicherer ist ;-).
Grüße aus LE an den Globetrotter