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Dienstag, 2. September 2008

48 Stunden in Rumänien …

Ländliche Gastfreundschaft
An der Grenze zu Rumänien sitzen drei Clowns auf Stühlen. Einer will meinen Pass sehen, die anderen beiden sind nur mit.
Ich hole in der nächsten Stadt 550 Rumänische Lei (150 €) am Automaten und fahre weiter Richtung Osten. In der Ferne sieht man bereits die Karpaten. „Endlich wieder Berge!“…denke ich.
Schnell komme ich Ihnen näher. Die Straßen werden schmaler, LKW’s hämmern die Berge hinauf. Sie holpern durch tiefe Spurrinnen, über zerbröselte Straßenränder und Schlaglöcher so groß wie Kinderbadewannen. Und ich mittendrin.
Ich will in einen kleinen Ort im Norden, direkt an der ukrainischen Grenze. Schon auf dem Weg dorthin merke ich, dass es große Unterschiede zu meinem bisherigen Osteuropa-Eindruck gibt. Die wirklich schlechten Straßen werden von jeder Menge Getier bewohnt. Gemeint sind hauptsächlich halbwilde Hunde und Kühe aber auch Hühner, Schweine und Katzen. Als ich in Sapanta ankomme besuche ich zuerst die neu errichtete und höchste Holzkirche in Rumänien. Sie ist aus riesigen Stämmen erbaut und hat ein Dach ganz aus geschnitzten Holzschindeln.
Nach ein wenig Sucherei finde ich auch den „fröhlichen Friedhof“ von Sapanta. Hier hat ein örtlicher Künstler über Jahrzehnte jedem Verstorbenen ein Holzkreuz mit individuellen Bildern und Versen angefertigt. Diese Bilder und Verse sollen die Persönlichkeit der verstorbenen Person wieder spiegeln und auch ruhig mehr oder minder kleine Fehler offenbaren. Also sieht man z. Bsp. auf den Bildern einen Mann der sein Auto poliert. Einem anderen wurde von einem ungarischen Soldaten der Kopf abgehackt und ein Dritter hat gar intime Freude mit einem Schaf! Ich lerne später, dass dies im englischen als „sheep shagging“ bezeichnet wird…sicherlich durchaus wertvoll…zu wissen.
Ich checke auf dem örtlichen Zeltplatz ein und frage nach den Duschen und Toiletten. Diese werden mir mit dem Hinweis gezeigt, dass es nur noch eine Stunde Wasser gibt. „Und dann?“ frage ich. „ Es gibt nur noch eine Stunde Wasser!“…wird daraufhin wiederholt. Ich fülle geistesgegenwärtig zum ersten Mal meinen 10 Liter Wassersack und hänge ihn an mein Motorrad. Zum Zähneputzen sollte es reichen.
Dann sehe ich einen anderen Biker kommen und gehe kurz entschlossen hin. Es ist Ron aus England. Er ist schon ganz schön grau und fährt, glaubt es oder nicht, mit seinem Hund Rocket auf dem Motorrad seit zwei Monaten durch Europa. Rocket sitzt dabei in einer Tasche auf dem Tank und schläft meist. Leider hat Ron ein wenig Unglück in den letzten zwei Tagen. Erst wollten ihn ein paar Gipsies nachts im Zelt beklauen und dann frisst an diesem Tag eine Kuh sein Zelt an und reißt dabei die Zeltplane total auseinander. Ich lade ihn für später auf einen Drink ein. Derweil laufe ich noch ein wenig durch das Dorf. Hier ist alles in der Zeit zurückversetzt. Bürgersteige gibt es nicht und so laufe ich direkt auf der Straße. Viele Häuser sind Blockhäuser und mit der typischen Schwalbenschwanztechnik gebaut. Eine Frau spült Wäsche in einem Weidenkorb direkt an der Straße. Eine paar andere Frauen spinnen Wolle und eine webt auf einem Webstuhl. Und da bin ich noch 2 km von der Touri-Attraktion entfernt!
Ich sehe eine alte Frau an einer Mauer sitzen und frage, ob ich ein Bild von ihr machen darf. Sie nickt. Aber vorher müssen die Haare noch richtig unter das Kopftuch gebracht werden. Dabei fällt ihr Stock mit lederummanteltem Griff herunter. Ich hebe ihn für sie auf. Ich mache ein Bild und zeige es ihr danach. Sie lacht sanft, sieht mich mit warmem Blick an und klopft mir belobigend auf die Schulter. Ich bin sehr gerührt von dieser Geste und Danke ihr.
An der Hauptstraße fotografiere ich ein paar Männer und eine Frau. Auch ihnen zeige ich das Bild. Die beiden Herren meinen ich solle noch mal ein Bild von Ihnen beiden in Pose machen. Kein Problem. Ich muss mich zusammenreißen um nicht zu lachen, so wird hier posiert! Ein schönes Bild ist das Ergebnis und eine Gegenleistung will keiner haben. Auf dem Weg zurück zum Campingplatz warten die Kühe schon auf Einlass vor den Toren mancher Höfe. Sie kommen am Abend allein von den Weiden zurück. Sie werden von einigen Pferdewagen mit Holz aus dem Wald begleitet. Überhaupt ist der Pferdewagen hier ein verbreitetes Transportmittel, denn einen Traktor besitzt kaum jemand.
Ich sitze noch bis in die Nacht mit Ron und Rocket zusammen und wir tauschen einige Geschichten aus. Ich bewundere ihn für seine Kraft und seinen Mut in seinem Alter (er ist in Rente) noch einmal eine solche Tour zu wagen.
Am nächsten Morgen starte ich spät. Der Weg auf das Klo endet mit einem abrupten Rückzug, denn dort stapelt sich die Scheiße schon (Sorry für die direkte Schilderung!).
Denselben schlechten Start hat ein Kollege aus NRW. Da er schon seit zwei Wochen in Rumänien unterwegs ist, frage ich ihn was er empfehlen kann. Er gibt einige wertvolle Tipps und ich muss mich derweil fast über seinen Akzent, seine offene Art und seine Randgeschichten zerhacken vor lachen. Auch mit Ron tausche ich noch einige Informationen aus und wir machen noch ein paar Bilder mit Bike voneinander.
Als ich endlich losfahre, ist es fast schon fast 30 Grad heiß.
Ich folge an diesem Tag diversen Straßen Richtung Osten, weiter über die Karpaten.
Am frühen Nachmittag merke ich, dass ich vor 30 km falsch abgebogen bin. Ich will meinen Fehler durch eine Abkürzung über einen Bergzug korrigieren. Dazu befahre ich eine zum Großteil geschotterte Straße bergauf, die auf der Karte als dünne weiße Linie eingezeichnet ist. Auf halber Höhe komme ich an einem Kloster vorbei. Ich spreche kurz mit einem Priester. Er bietet an, dass ich nach Rücksprache mit dem Padre hier schlafen könnte. Auf seine Frage, welchem Glauben ich angehöre, sage ich das ich mich keiner Religion zugehörig fühle. Unverständnis ist aus seinem Gesicht zu lesen. Ich sage, dass ich es mir mit der Übernachtung überlege und gehe in die zentrale, kleine Holzkirche. Hier wohne ich einem orthodoxen Gottesdienst bei. Das ist natürlich alles ganz anders als bei den Katholiken oder Evangelen. Um es kurz zu machen, Frauen und Männer sind in Gruppen getrennt, es wird gekniet bzw. gestanden, denn Kirchenbänke gibt es nicht. Außerdem gibt es einen zentralen Moment, bei dem sich alle Gläubigen um den Padre kniend versammeln und er einen Teil seines Gewandes über sie legt. Dann liest er Passagen aus der Bibel. Am Ende kommt die Segnung und das Versprühen von reichlich Weihwasser. Bekreuzigt wird sich während der gesamten Prozedur natürlich unzählige Male.
Ich beschließe weiter zu fahren. Der Weg ist steil, die Straße fast nicht mehr als solche zu bezeichnen. Am Ende erreiche ich ein Hotel am höchsten Punkt der Straße. Ein Mann weißt mich darauf hin, dass ich mein Bike da nicht stehen lassen kann, weil ein Holztransporter kommt. Auch sagt er, dass es nur noch wenige Minuten Fußweg bis zu einem herrlichen Ausblick sind. Ich meine, dass ich bei meinem aktuellen Schuhwerk heute keine großen Besteigungen mehr vornehmen kann. Er entgegnet „Du kannst auch hier schlafen. Wir haben hier auch ein Zimmer. Kostet ungefähr 60 Lei (18 Euro)..“. Eigentlich bin ich fertig und die Gastfreundschaft lullt mich schließlich ein. Ich bleibe. Dan bittet mich zu seiner Frau Daniela an den Tisch. Sie sind beide Ärzte und haben eine Gemeinschaftspraxis unweit von hier. Sie sind eigentlich hier um ein wenig auszuspannen und zu lernen. Zu Letzterem sind sie bisher noch wenig gekommen. An diesem Abend erfahre ich noch mehr über den orthodoxen Glauben, die ferne und nahe rumänische Geschichte, das Land und die Leute. Auch muss ich unbedingt Dan’s eigenen Wein probieren (gute Sache für einen Nichtkenner wie mich) und sie raten mir ausführlich, was ich mir in Rumänien ansehen soll.
Am nächsten Morgen besteige ich einen der kahlen Berggipfel und gehe danach, wie verabredet bei Dan und Daniela vorbei. Hier bin ich schon mit zum Frühstück eingetaktet. Dan ruft sogar noch hier und da an, um ggf. Quartiere bei Verwandten auf dem Weg für mich klar zu machen. Ich bin überwältigt!
Der Ratschlag an der Weggabelung den einen und nicht den anderen Weg zu nehmen, weil eben dieser andere furchtbar ist, will ich beherzigen. Das der von mir gewählte aber am Ende nicht der Richtige war, merke ich bereits nach 100 Höhenmetern Abstieg. Ich habe alle Mühe die Kiste auf Kurs zu halten. Hinter jeder engen Biegung wartet eine neue Überraschung. Als ich unten angekommen bin, bräuchte ich schon wieder eine Dusche. Ohne einige Lektionen aus Marokko hätte ich das Motorrad nicht heil heruntergebracht.
Beim Besuch der beiden Klöster in Moldovita und Sucevita lerne ich Steffi und Rolf kennen. Sie sind mit stark umgebauten, geländegängigen Boxer-BMW’s unterwegs. Am Ende landen wir in einem Kaffee und die beiden erzählen von Ihrem Trip 2001 von Deutschland nach Kapstadt. Geile Sache!

Falsch gelaufen
Nach einem Tag im Hostel in Suceava mit netten Leuten aus sieben Nationen fahre ich durch eine kleine Stadt und werde plötzlich von Pfiffen aus der Konzentration gerissen. Wer steht am Straßenrand? Steffi und Rolf…in Zivil. Rolf sagt nur: „Für uns ist die Reise hier zu Ende. Wir hatten einen Unfall.“. Mist!
Bei einem Kaffee erzählen sie alles im Detail. Ein betrunkener Polizist war mit seinem Privatfahrzeug in Gegenrichtung von seiner Spur abgekommen, hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und hat Rolf, der noch ausweichen wollte, seitlich aufgegabelt. Dieser flog im hohen Bogen vom Bike, über eine kleine Mauer und einen Abhang hinunter. Und auch Steffi schlägt noch ein, wenn auch mit weniger Speed.
Und zu guter Letzt versucht der Bulle auch noch Beweise zu vertuschen und den Alkoholtest zu sabotieren. Zum Glück kommen unabhängige Beamte aus der nächst größeren Stadt dazu und untersuchen alles genau. Sogar der Polizeichef schaltet sich persönlich ein und garantiert Aufklärung. Dem Bullen wird sein Führerschein und seine Dienstwaffe entzogen. Er ist suspendiert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit verliert er seinem Job und geht in den Bau.
Rolf muss im Krankenhaus behandelt werden. Zum Glück scheint nichts gebrochen zu sein. Aber seine rechte Hand geht locker als Fanghandschuh durch und Lachen ist auch nicht gut für die geprellten Rippen.
Rolfs Moped ist Schrott. Das von Steffi leicht beschädigt.
Ich versuche sie ein wenig aufzumuntern. Ich denke Rolf wird sein Motorrad wieder aufbauen. Aber jetzt müssen sie sich um den Rücktransport der Mopeds und von sich selbst kümmern. Der Urlaub ist vorbei und das tut mir sehr Leid für die beiden. Aber sie versprechen wieder nach Rumänien zu kommen.


Ron und Rocket


Die wirklich coolen Jungs!


Die liebe Oma...


Berge und schlechte Straßen


Hotel in den Karpaten


Die Pechvögel

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

mähhhh....
Es ist immer wieder so herrrlich (mit 3 R) von dir zu lesen. Vor allem nach so einem Tag.
Ich freu mich auf unser teamtraining am WE.
Wünsche gute Straßen! und nüchterne Polizisten und Bauern.