Unruhige Nacht
Eigentlich wollte ich nur eine Nacht in Veliko Tarnovo bleiben aber es werden am Ende drei Nächte draus. Das Hostel in dem ich übernachte ist einfach der Hammer. Alles ist nagelneu und die Leutchen sind echt überbesorgt und umsichtig. Das alte Bauernhaus an einem Hang hat drei Etagen, zwei Terassen, eine Chill-out-Ecke, jede Menge Weinranken an allen Ecken und drahtlosten Internetzugang…was will man mehr. Ich schlafe die ersten beiden Nächte in einem Zelt auf der kleinen Rasenfläche hinter dem Haus. Da es in der dritten Nacht regnet, werde ich in ein Massenquartier gebeten. Hier schlafe ich wesentlich schlechter, weil ein asiatischer Kollege mitten in der Nacht sein Handy aus dem oberen Bett wirft und danach mit der Taschenlampe anfängt dieses im unterliegenden Bett zu suchen. Dabei bekommt er von Doug, einem kanadischen Musiker der sein Geld auf der Straße verdient, fast eine eingeschenkt. Der Israeli zwei Betten weiter, scheint von der letzten Intifada zu träumen und schreit laut in einem Alptraum, bis ihn seine Freundin beruhigt. Na gute Nacht!
Aber der Rest der drei Tage ist sehr schön. Ich mache einen Ausflug nach Süden, um auf einer Bergstraße mit jeder Menge Kurven den Balkan zu überqueren. Auf dem Pass steige ich auf das Shipka-Denkmal, das an eine Schlacht der bulgarischen Freiheitskämpfer gegen die türkischen Besatzer im 19-Jhd. erinnert. Von dort aus sehe ich auch das Kommi-UFO aus dem letzten Beitrag ;-).
Allabendlich schaue ich mir das Lichtspektakel an der Festung in Veliko Tarnovo an. Wie die riesige Festungsanlage zu klassischer Musik in verschiedenen Farben in Szene gesetzt wird ist großartig!
Kokain….nur ein bischen
Auf dem Weg nach Sofia werde ich nach langer Zeit mal wieder ordentlich nass.
Das Wetter ändert sich auch in den folgenden Tagen nicht. Daher ist auch der Besuch des weltberühmten Rila-Klosters, 70 km südlich von Sofia, eine einzige Regenfahrt. Das Kloster liegt in mitten der gleichnamigen Berge und ist das Jerusalem von Bulgarien. Es hat einen mehrstöckigen Umrandungsbau, der nur nach innen Fenster hat und eine zentral liegende orthodoxe Kirche. Diese hat außen und innen wunderbare Fresken mit vielen Details.
Am nächsten Tag laufe ich kreuz und quer durch Sofia und ich muss sagen, es gefällt mir viel besser als Bukarest. Der Markt erinnert schon fast ein wenig an einen Basar, die mineralischen Quellen werden von vielen Bürgern als Trinkwasserquelle genutzt und die Alexander Nevski Kathedrale ist gigantisch. Auch eine zentrale Moschee erinnert daran, dass viele Bulgaren Muslime sind.
Viele kleine Dinge des täglichen Lebens bringen mich hier zum Lachen. Dazu gehört der Wiegeservice mit der Haushaltswaage im Park, die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen mittels Schreibmaschine direkt vor einem Amt und die Hunde im Terrarium einer Zoohandlung.
Am Abend gehe ich mit ein paar Jungs aus dem Hostel aus. Dabei ist Mane aus Finnland, Elliot aus Kanada und Tom und Jerry (grins) aus England. Ich bin der Älteste im Bunde…
Nachdem wir um elf aus einer Bar gebeten werden, weil diese schließt, laufen wir ein wenig orientierungslos herum und landen schließlich in der Buddha-Bar. Die Lokation sieht gemütlich aus und wir bestellen eine Wasserpfeife. Wenige Minuten später setzt sich ein Trio an den Nachbartisch. Einer ist vom Schlage „leicht gealterter, gebräunter, steroidversäuchter, Arme wie andere Beine…Zuhälter“. Und er ist voll wie ein Schichtbus. Er fängt zunächst an Mane auszufragen (woher, warum etc.) dann mich. Als ich dummerweise ein paar Brocken Russisch bringe … sind wir „Freunde“. Auch deshalb weil Sascha die Koseform von Alexander (sein Name) ist. Mane versucht die Aufmerksamkeit des Herrn auf Tom und Jerry zu lenken, was nur kurz klappt. Dann versucht der Typ mir erst einen Vodka zu spendieren und schließlich uns allen einige Drogen anzubieten (Kokain, Heroin, Amphetamine…“nur ein wenig“). Schließlich ist ihm nach tanzen und er will unbedingt das ich mit tanze. „Please dance with my friend!“…sagt seine fette Freundin. Das er einen dann immerzu antatscht macht mich leicht nervös. Da Jerry ganz vorn am Tisch sitzt, wird er schließlich aus dem Stuhl gehoben und zum Tanz gestellt…
Wir sind uns schließlich einig, dass es Zeit wird den Laden zügig zu verlassen. Die nicht hässliche Bedienung freut sich über reichlich Trinkgeld und wir sind raus.
Wir beenden den Abend in einem Techno-Club mit 98% männlichen Gästen. Ein netter Abend…
Melancholie
Auf dem Weg Richtung Schwarzmeerküste bleibe ich noch einen Tag in Plovdiv. Die zwei Amphiteather sind nicht recht beeindruckend. Eines der beiden liegt direkt in der Stadt und ist belagert von Beton! Besonders die auf einem Hügel gelegene Altstadt mit ihren schmalen und grob gepflasterten Gassen ist ein paar Streifzüge wert.
Am Straßenrand, keine hundert Meter vom Hikers-Hostel, meiner Herberge, entfernt, steht ein abgedecktes Motorrad. Meine Neugier zwingt mich mal wieder die Plane zu lüften und ich erkenne ein australisches Kennzeichen. Am nächsten Tag treffe ich den Besitzer beim packen seines Bikes. Er ist natürlich Australier und seit 13 Monaten unterwegs auf der „Gegenspur“, nach London. Er erzählt von ein paar Schwierigkeiten auf der Fahrt (defekte Kupplung in Nepal, Reifenpannen in Pakisten etc.) und gibt mir ein paar gute Tipps bzgl. der Verschiffung des Motorrades nach Australien. Auch hat er vor kurzem einen Isländer getroffen, der mit seiner 1200-er BMW auch in Richtung down under unterwegs ist.
Das wäre doch mal eine Idee…eine „Ausfahrt“ von ein paar Dutzend Bikes über pakistanische Grenze nach Quetta.
Die 320 km nach Sozopol, südlich von Burgas und direkt am schwarzen Meer, reite ich ohne Pause durch. Sozopol empfängt mich als eine Art Geisterstadt. Die Saison ist bereits vorbei und alle Campingplätze schon geschlossen. Da es Hotels ohne Ende gibt, frage ich nach den Preisen und lasse mir beim Zweiten ein Zimmer zeigen. 15 € die Nacht ist ok und ich bleibe in einem angenehmen Zimmer mit Doppelbett, Fernseher, Klima, Bad und einem kleinen Durchblick zwischen den Häusern gegenüber auf das Meer.
In Nessebar werde ich beim Versuch meine letzten rumänischen Lei zu tauschen von ein paar Heinis mit ein paar veralteten bulgarischen Levas beglückt/beschissen. Ok, das buche ich unter 13 Euro Lehrgeld ab.
Bei mehreren Spaziergängen durch Sozopol umfängt mich die leichte Melancholie, die von der abschwellenden Urlauber-Saison ausgeht. Die gesamte Küstenregion wird seit einigen Jahren, aktuell noch zunehmend, komplett durch Hotel und Eigentumsneubauten zugekleistert. An wirklich jeder Ecke sind Bauarbeiter dabei Zement in alle möglichen Formen zu gießen. Vor 10 Jahren war an dieser Stelle einfach nur Gegend. In zehn Jahren wird das das Surfers Paradies von Bulgarien sein. Ich denke dabei aber weniger an die Surfer als an die endlosen, hässlichen Bauten in Strandnähe.
Das immer noch bescheidene Wetter lässt mehr als ein Fußbad im Schwarzen Meer nicht zu.
Nächstes Ziel…Türkei.
Gedanken zur Nacht
Ich bin nun seit über drei Monaten unterwegs. Jeden Tag heißt es „fahren und verfahren, ankommen, sich vorstellen, sich zurecht finden, Neues verstehen und annehmen, auspacken, planen, entscheiden, einpacken, Abschied nehmen, zurücklassen, nach vorne sehen“.
Manchmal fühle ich mich auch allein.
Bestes Mittel bisher ist immer ein abendlicher Spaziergang durch die Stadt (falls vorhanden). Wenn ich mich halbwegs orientieren kann, lege ich Stadtplan und GPS beiseite und laufe einfach nach Gefühl durch die Straßen und Gassen. Mein Weg vorbei an Plätzen, Gebäuden und Menschen findet sich von allein. Die vorbeiziehenden Gesichter sind ein Kaleidoskop und die Straßenmusik und -geräusche ein Free-Jazz-Konzert in meinem Kopf. Der Rhythmus des Gehens beruhigt und entspannt mich. Es hilft mir, mit ungewissen Situationen und Sorgen umzugehen. Es verbindet neue Eindrücke und Bilder aus meiner Vergangenheit und balanciert mich neu aus. Klarheit und neue Kraft sind das Ergebnis.
Auch wenn ich es Liebe meine Maschine durch die Welt zu bewegen, so muss ich doch zugeben das ich glaube, dass das Gehen die Geschwindigkeit ist für die der Mensch geschaffen ist. Irgendwann will ich daher noch mal eine längere Wanderung machen. Mir schwebt etwas wie die Umrundung von Irland zu Fuß vor...
Hostel in Veliko Tarnovo
Shipka-Denkmal
Klosterkirche in Rila
Rila Kloster
Markt in Sofia
Nevski Kathedrale
Amphitheater in Plovdiv
Nessebar
Sozopol
Sozopol
Traditionelles Haus in Sozopol
Schwarzmeerküste nahe der türkischen Grenze
4 Kommentare:
Wo ist die Geschichte mit den 2 Holländerinnen und den 60 Euro Bargeld ????
Irland umrunden wär ich dabei.
Mann, die zwei Holländerinnen kommen doch erst in der Türkei...das war Bulgarien, kapisch?
määähhhhh...
uff geschafft - Scheiss Tag, trotz majos gutgemeinten hilfeversuchen in seiner software ;-)
Ne Menge hübscher Orte hast du dir da angesehen in der Bulgarei.
Die Gedanken zu Ncht finde ich echt bewegend - echt jetzt - werd sie mir kurz vor dem schlafen gehen noch mal durchlesen. In einem stimme ich pauschal mit dir überein: Laufen ist die Geschwindigkeit des Menschen!
Nimm es als Anfang für dein erstes philisophisches Werk!
mhiackor, ach nee, das muss ich ja hier unten eingeben, klingt aber trozdem ganz nett.
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