Welcome to Turkey
Ok, das ist die erste Grenze mit einer echten Kontrolle. Auf bulgarischer Seite passiere ich drei Kontrollposten. Der Erste will nur die Fahrzeugpapiere, der Zweite will den Reisepass und der Dritte macht die Schranke hoch. Das der Informationsaustausch zwischen den Häuschen über einen USB-Stick funktioniert den ich transportiere, bringt mich als IT-Heimer ein wenig zum schmunzeln.
Nachdem ich auch die türkische Seite überwunden habe, fahre ich auf einer überbreiten Straße Richtung Autobahn. Da wollten die Türken den Bulgaren wohl mal zeigen wer der stärkere Nachbar ist.
Nach weiteren 250 km beginnt die 13 Mio. Metropole Istanbul. Der Verkehr ist anstrengend aber zu bewältigen. Die ersten drei Nächte schlafe ich in einem der zahlreichen Hostels im Sultanahmet, dem alten Stadtteil mit den vielen historischen Sehenswürdigkeiten. Er liegt auf der europäischen Seite, südlich des goldenen Horns.
Das Hostel ist nett und ich genieße noch am selben Abend einen kleinen Spaziergang durch den großen Basar und die Straßen rings um die blaue Moschee.
Vieles erinnert mich an Marrakesch. Die kleinen Läden, die Waren, das Essen. Und doch ist Istanbul viel sauberer, europäischer und moderner.
Es sind die letzten Tage des Fastenmonats Ramadan. In dieser Zeit dürfen die Muslime nur vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang essen. Wenn der Muezzin bei Sonnenuntergang zum vierten Mal am Tag zum Gebet ruft, versammeln sich viele Händler, Polizisten, Taxifahrer etc. um gemeinsam zu essen. Oft essen sie traditionell von einem gemeinsamen großen Teller und trinken Tee. Das gefällt mir.
Visa-Schach
Ich habe mir vorgenommen in Istanbul einige Visa-Formalitäten in Angriff zu nehmen. Ich tue das erst hier, da die Visa, hätte ich diese schon in Deutschland beantragt, zum Teil schon abgelaufen wären, bevor ich die Grenze erreicht hätte. Für das pakistanische Visum benötige ich bei Beantragung außerhalb des Heimatlandes ein Empfehlungsschreiben der Deutschen Botschaft. Da es Istanbul keine Deutsche Botschaft gibt, muss das Deutsche Konsulat reichen.
Ich fahre also am nächsten Tag früh am Morgen mit der Bahn hinüber nach Beyoglu und stapfe den steilen Berg hinauf. Hier erlebe ich zum ersten Mal das deutsche Gesicht im Ausland. Gitter, Tore, schwere Türen und am Ende eine deutsche Amtsstube hinter Panzerglas. Mit der Beamtin auf der anderen Seite der Panzerglasscheibe kann ich nur über einen Telefonhörer sprechen. Nein, ein solches Schreiben würden sie nicht ausstellen, das sei Anweisung aus Berlin. Und außerdem würde da sowieso nur drin stehen, dass ich deutscher Staatsbürger bin. Warum das nicht geht, wenn der Inhalt so banal ist verstehe ich nicht. Ich bin erst mal sauer und muss mich kurz zwingen einen klaren Kopf zu behalten.
Ok, das iranische Konsulat hat noch bis 12:30 Uhr offen. Für dieses brauche ich das Schreiben nicht. Also, Versuch macht klug. Dort angekommen, stehe ich am Schalter schnell einem Perser gegenüber. Er sieht aus wie Omar Sharif mit einer Boxernase. Er fragt mich was mein Beruf ist. Ich sage „business manager“. Ich bekomme ein Antragsformular das ich ausfüllen und kopieren muss. Ich tue wie geheißen und werde danach auf die Bank gegenüber geschickt um die 60 Euro Visa-Gebühr einzuzahlen. Wieder in der Schlange unterhalte ich mich mit einem Ungarn und zwei Holländerinnen. Letztere wollen den Iran auf Fahrrädern durchqueren. Was im Gespräch auffällt sind die Unterschiede bei den Gebühren. Der Ungar musste auf der Bank nur 15 Euro zahlen und die Holländerinnen gleich bar am Schalter. Auch höre ich, dass die Bearbeitung bis zu 10 Tage dauern kann und die Papiere angeblich nach Teheran geschickt werden. Meine Verwunderung ist am Ende groß als der Konsularbeamte mir sagt, er würde meinen Pass behalten und ich solle in 2 Tagen wiederkommen.
Ich bin gespannt!
Zwei Tage später hole ich meinen Pass ab. Ich habe ein Visum. Yes! Haken: nur für 14 Tage.
Der Iran ist ein riesiges Land voller Dinge die es zu entdecken gilt. Daher hatte ich mir mind. einen Monat Zeit erhofft. Eine Verlängerung des Visums im Iran ist möglich aber kann auch abgewiesen werden. Diese Veränderung bringt die Maschinerie in meinem Kopf ordentlich in Bewegung. Vor allem gilt es jetzt Ruhe zu bewahren und geschickt vorzugehen, denn ein falscher Zug kann eine bedeutende Erschwerung nach sich ziehen. Vor allem der Zusammenhang der Aufenthaltsdauer im Iran und die ggf. notwendige Erlangung des pakistanischen Visums in Teheran sind zu beachten. Ich habe von mehreren Seiten gehört und gelesen, dass es unterwegs oft nur noch in Teheran möglich ist ein pakistanisches Visum zu bekommen und das die Bearbeitung bis zu einer Woche dauern kann. Auf dem Weg zum Flughafen, wo ich Helge abholen will, lege ich mir einen Plan zurecht, den ich vorerst aus taktischen Gründen für mich behalte.
Besuch mit Kopftuch
In den folgenden fünf Tagen erkunden wir Istanbul so ausführlich es eben geht.
Wir wohnen in einem kleinen Hotel das ebenfalls im Sultanahmet liegt.
Der Besuch des Topkapi-Palastes und des Harems, der einst der Sultanssitz war, leitet unsere Tour ein. Der Harem wirkt zwar beim Besuch recht geräumig aber für die ehemals bis zu 300 Gespielinnen ist er doch zu klein. Weiter geht es zur Hagia Sophia (...der ehem. Kirche der heiligen Weisheit) und zur blauem Moschee. Beide sind vor allem von innen sehr beeindruckend und schön.
Auf dem großen Basar und dem Ägyptischen Basar laufen wir uns bei regnerischem Wetter die Füße platt. Das Angebot der Waren und der tägliche Aufwand alles im und vor dem Laden darzubieten sind enorm. Helge deckt sich auf dem Ägyptischen Basar mit Gewürzen und türkischen Süßigkeiten ein. Diese sind oft aus allen Arten von Nüssen, Datteln, Kokos und einer Art verbindendem Gelee gemacht. Lecker!
Auch das moderne Istanbul, nördlich des goldenen Horns, erkunden wir ausgiebig, besteigen den Galata Turm und laufen so dicht es eben geht bis zur Bosporus-Brücke heran. Am letzten Tag fahren wir mit ein paar Fähren auf die im Marmarameer vorgelagerten Prinzen-Inseln.
Das Essen ist in diesen Tagen einfach nur lecker. Wir probieren alles vom teuren Fischrestaurant bis zur Straßenbude und finden die kleinen „Jedermannsküchen“ in den schmalen Seitenstraßen sowie die Fischbraterei an der Katekoy-Anlegestelle am besten. Hier wird man leicht für 10 Euro zu zweit, inkl. Getränken und Salat, satt. Aber auch die leckeren türkischen Desserts sind eine Sünde wert. Eine Wasserpfeife hilft dann der entspannten Verdauung.
Am Dienstag morgen begleite ich Helge noch zum Flughafen. Dieses Mal wird es drei Monate bis zum nächsten Wiedersehen in Indien dauern. Das ist freilich schwer aber die technischen Hilfsmittel des 21-Jhd., wie Skype, haben uns schon über die letzten drei Monate gebracht…
Endlich Asien
Nachdem ich entlang der westlichen Küste des Marmarameeres gefahren bin, ist endlich der Augenblick gekommen. Ich überquere auf einer Fähre die Dardanellen (Meerenge zwischen Marmarameer und Mittelmeer) und damit auch die Grenze von Europa und Asien.
Ich habe erfolgreich den ersten Kontinent von drei geplanten durchquert. Dies begieße ich bei einer Tasse Tee an Bord. Nun liegt Asien vor mir, ein riesiger Kontinent voller interessanter Kulturen und Landschaften. Ich freue mich auf alle kommenden Herausforderungen.
Nach einer Nacht in Canakkale besuche ich am nächsten Tag die Ausgrabungsstätte des berühmten Troja. Ich bin überrascht wie viel noch von den einstmals mächtigen und unüberwindbaren Mauern übrig ist. Eigentlich gibt es nicht das Troja, sondern sieben Trojas, die als Ausgrabungsschichten ein und derselben Siedlung übereinander liegen. Der deutschstämmige Industrielle Schliemann begann mit den Ausgrabungen Ende des 19-Jhd.. Er war wohl mehr auf der Schatzsuche und hat daher viele wertvolle historische Schichten zerstört. Seit 1988 ist die Universität von Tübingen wieder mit Grabungen betraut und führt diese bis heute fort.
200 km weiter südlich in Bergama, am Rande des früheren Pergamon, gibt es noch mehr zu sehen. Unter anderem die Akropolis, die Asklepios von Pergamon sowie die rote Basilika.
Außerdem gibt es noch jede Menge Eidechsen und horny turtles...
Zeit fürs Sehen
Die Pension in der ich untergekommen bin ist billig, sauber und ein Frühstück bekomme ich auch. Das Städtchen ist besonders am Abend recht quirlig. Und da mir das gefällt, bleibe ich statt der angedachten zwei, drei Nächte. Und dazu gehe ich zu Mustafa, dem Sohn des Wirtes, und sage: „Hey, is it ok when I stay a night longer?“. „Of course my friend!“ ist die Antwort. So einfach ist das.
Das ist etwas was ich sehr genieße, diese Flexibilität zu bleiben wo es mir gefällt und so lange bis es mich weiterzieht. Ich habe keinen Zeitplan wie bei einer Butterfahrt. Ich denke und plane in Wochen und in Distanzen von mehr als 1000 km. Aber ich kann mich auch nicht ganz und gar treiben lassen. Das entspricht nicht meinem Wesen. Ich will jeden Tag etwas unternehmen, unterwegs sein, etwas aus der Zeit machen. Und wenn ich mir dann etwas ansehe, sehe ich es mir genau an, will überall hineinkrauchen, alles berühren, probieren und aufnehmen. Und besonders beim Sehen ist Zeit wichtig. Wenn man einen Aus- oder Anblick für lange Zeit als Bild im Gedächtnis behalten will, muss man ihn sich mehr als einen Moment ansehen. Dabei ist auch die Art des Sehens wichtig. Bei mir funktioniert am besten eine Art Breitensehen, bei der man nicht nur einen Punkt fixiert, sondern alles mehr flächig abtastet. Ich musste es erst wieder trainieren, denn bei meiner Arbeit war eine ganz andere Art von Sehen gefragt. Hier war schnelles Erfassen und rasches Entscheiden wichtig.
Jeder weiß, Zeit ist Geld. Aber wenn man kann und will, ist Geld auch Zeit. Ich denke das ist der Luxus des 21-Jhd. … nicht Dinge haben … Zeit haben … für sich und für andere.
Diesmal mit vielen Bildern...
Hagia Sophia bei Tag
Die blaue Moschee
Bosporusbrücke
Großer Basar
Justinians Zisterne
Lecker Fisch essen
Danach lecker Wasserpfeife
Hagia Sophia bei Nacht
Blaue Moschee bei Nacht
Die Mauern von Troja
Stausee nördlich von Bergama
Rote Basilika
Akropolis von Pergamon
Jede Menge alte Steine...
...mehr oder weniger umgefallen
horny turtles
...so nun erzähl mal, was gefällt Dir an ihr...?
Immer wieder Dank an die Kommentatoren. Da weiß man wenigstens, dass jemand auf der anderen Seite wirklich auch liest ;-).
3 Kommentare:
Määähhh...
...horny turtles...kischer!
Ich sehe und staune und stelle fest es wird kniffliger ausserhalb von good ol' europe.
Guter Mann, wenn du nachher im Iran bist wirf doch mal einen Blick beim Davamand vorbei, ob es sich lohnt da mal hochzustapfen.
Dear Mohamed,
please do the world a favour and cut off this curly black hair....
Mr red hat
Hi Sascha,
schön zu lesen, dass es dir gut geht. Halt doch auch mal Ausschau nach surf- bzw. kitebaren Stränden am Kaspischen Meer. Habe letzens was gelesen, dass Baku in dieser Beziehung nicht übel sein soll. Liegt ja fast auf der Strecke...
Ansonsten Daumen hoch - gute Sonntagsliteratur - auch wenn man ab und an etwas neidisch wird.
der cmo
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