So schnell kann’s gehen…
Nach ein paar Tagen in Teheran bin ich froh wieder zu rollen. Zunächst geht es mit genau diesem aus Teheran heraus natürlich nur langsam voran. Dann aber schneller.
Auf der Schnellstraße geht es nach Qom.
Qom ist ein Wallfahrtsort weil hier der Hazrath-e Masumeh Schrein steht. Es heißt auch, dass Qom der konservativste Ort im Iran ist, da von hier aus 1979 die islamische Revolution mit Ayatolla Khomeini an der Spitze startete.
Ich nehme ein Hotel direkt am großen Platz vor dem Schrein und schaffe es doch tatsächlich bis zum Heiligtum vorzudringen. Dieses ist normalerweise nur für Gläubige zugänglich. Ich denke hier hat sich mein Gesichtspullover tatsächlich das erste Mal ausgezahlt.
Am nächsten Morgen will ich weiterfahren, denn aus dem Schrein gibt es in Qom nichts zu sehen. Also das Motorrad aus der Tiefgarage des nahe gelegenen 5-Sterne Hotels geholt und los. Ich fahre also wieder zurück zum Fluß, über die Brücke und biege rechts nach dieser ab.
Dann fädele ich mich in den Verkehr ein und rolle ein Stück.
Plötzlich zeiht das Taxi das eben noch friedlich links vor mir fuhr im 45 Grad Winkel nach rechts und bremst dabei stark ab. Ich gehe voll in die Eisen aber merke schon…das wird nichts mehr. Mein linker Koffer schlägt in die Beifahrertür ein und ich werde samt Motorrad wie eine Billardkugel zurückgeworfen. Das Bike schlingert wie wild und ich merke, dass ich die Kontrolle verliere. Es geht in Richtung des hohem Bordsteins und ich denke noch blitzschnell: „Verdammt, ich habe gerade einen Unfall!“. Das Bike trifft den Bordstein wohl im 45 Grad Winkel und wird abrupt gestoppt. Dann steigt das Hinterrad auf und ich werde nach rechts über den 50 Zentimeter breiten Ablaufgraben geschleudert. Da liege ich dann der Länge lang auf meiner rechten Seite und rappele mich langsam hoch.
Ich weiß sofort, ich bin ok. Schnell springen ein paar Passanten herbei und helfen mir das Motorrad aufzurichten. Der Taxi-Fahrer stellt seinen Wagen ab und ich fauche ihn erst mal an ob er keine Spiegel hat.
Erst mal den Schaden begutachten.
Der rechte Koffer scheint die meiste Wucht des Sturzes abbekommen zu haben. Seine Rückwand gleicht einem „S“ und der Deckel steht offen. Es tropft keinerlei Flüssigkeit heraus, was ein gutes Zeichen ist. Meine Sorge um meinen rechten Zusatztank verflüchtigt sich bald. Er hat, wie Wunder, nicht einen Kratzer abbekommen obwohl die Karre genau auf dieser Seite lag. Dann sehe ich etwas was mir gar nicht gefällt. Der Lenker läuft aus dem Ruder. D.h. bei gerade ausgerichtetem Vorderrad ist der Lenker leicht nach rechts geneigt. Die Gabel hat wohl einen Schlag bekommen. Das ist Mist. Ansonsten sind natürlich noch diverse Kratzer an den Handprotektoren und am rechten Koffer zu finden. Der linke sieht immer noch aus wie neu und hat im Taxi eine nette große Delle hinterlassen. Stabil sind die Koffer ohne Frage!
Umringt von mindestens 20 Leuten frage ich in die Menge ob hier jemand Englisch spricht. Möchte nicht der Polizei gegenübertreten ohne einen Dolmetscher zu haben. Wer weiß, was der Taxifahrer erzählt. Zögerlich erklärt sich zuerst eine Studentin im Djador bereit zu helfen.
Ob schon jemand die Polizei gerufen hat. Ja, sagt sie, dass hat der junge Taxifahrer schon getan. Die umherstehende Menge wird unterdessen größer, so dass fast der vorbei fließende Verkehr behindert wird.
Erst kommt ein Motorradpolizist, dann ein Polizeiwagen. Das Spiel beginnt.
Jeder erzählt seine Version und mir wird sofort verständlich gemacht, dass es nicht meine Schuld war. Der Taxifahrer hat wohl gleich gesagt, dass er mich nicht gesehen hat. Das ist erst mal gut. Als die Studentin plötzlich weg muss, springt Shervin ein. Er spricht gut Englisch und verspricht zu vermitteln. Er fragt ob ich es hier reparieren lassen will oder lieber das Geld von der Versicherung des Taxis ausbezahlt haben will. Ich sage sofort „Geld“.
Das Motorrad hier in so eine Klumpenbude zu geben wäre mit Sicherheit das Ende der Reise.
Dann fragt er welche Summe der Schaden wohl ausmacht.
Schwer zu sagen. Ich hab die Ersatzteil-Preise von BMW gerade nicht im Kopf. Ich weiß, die volle Summe bekomme ich sowieso nicht raus. Die Leutchen hier haben kein Gefühl für den Wert eines Motorrades dieser Größe. Ich fange erst mal an zu barmen, was alles ausgewechselt werden muss und das es frühestens nach in Indien geliefert werden kann, was wiederum teuer ist, weil es Luftfracht ist. Am Ende nenne ich die Summe von 400 US-Dollar.
Alles wird notiert und danach geht es quer durch die Stadt zum Polizeirevier. Shervin ist mitgekommen und verdreht die Augen. Er meint, das könne jetzt Stunden oder Tage dauern. Aber mit nichten. Alle anderen Dinge werden beiseite gepackt und mein Fall kommt ganz oben auf. Der Verantwortliche fängt an jede Menge Papiere auszufüllen und nach 20 Minuten sind wir auf dem Weg zur Versicherung…wieder am anderen Ende der Stadt.
Ab diesem Moment bin ich nur noch Komparse, denn Shervin spricht mit den Versicherungsangestellten. „Was 400 US-Dollar, da müsst ihr nach Teheran!“ meint einer.
Nach Teheran fahre ich nicht noch mal zurück, sage ich Shervin. Dieser bekniet den Angestellten und wir werden schließlich zum Niederlassungsleiter vorgelassen. Shervin schildert alles und der Chef fängt an mit Teheran zu telefonieren. Wir bekommen Tee angeboten. Im Laufe mehrerer Gespräche merke ich, dass er sich wirklich für mich einsetzt. Aber er scheint gegen Wände zu laufen. Dann fragt er über Shervin: „Glauben Sie an eine Chance!“. Ich entgegne: „Natürlich, immer! Deshalb bin ich hier!“. Er telefoniert weiter.
Wir fahren, wieder quer durch die Stadt, zu einer zweiten Niederlassung dieser Versicherung. Shervin fährt im Taxi mit das mich erwischt hat und der Taxifahrer trottet immer mit in die Büros.
Wieder sind wir Gast des Chefs, wieder erklärt Shervin alles, wieder schaut sich der Chef den Schaden an und was repariert werden muss und wieder trinken wir Tee.
Am Ende heißt es, 400 US-Dollar könne man mit nicht anbieten … aber 300. Ich bedeute schwerste Innere Qualen und nehme an.
Zurück in Versicherungsbüro Nummer 1 wird ein Scheck ausgestellt und mir überreicht. Es folgen 1,2 Millionen Handy-Photos mit mir und diversen Personen.
Dann eilen wir in die nahe liegende Bank, die dank dem Anruf des Niederlassungsleiters, extra für mich noch offen hat. Hier werden mir 3 Millionen Rial übergeben…zwei dicke Bündel Geld und ich bin schon wieder Millionär.
Alles wird gut
Eigentlich wollte ich weiter fahren aber jetzt meine ich es ist doch die bessere Idee sein Schicksal nicht zwei Mal an einem Tag herauszufordern und bleibe.
Ich lade Shervin, den Taxi-Fahrer und dessen Freund zum Abendessen ein um mich zu bedanken bzw. das Kriegsbeil zu begraben.
Bis zum Abendessen miete ich mich wieder im Hotel ein, fahre wieder in die Tiefgarage des 5-Strerne Hotels und beginne mit den Reparaturen. Zuerst richte ich den Lenker und die Lampenmaske notdürftig. Dann wird der Alukoffer so lange mit einem Gummihammer bearbeitet bis alles wieder einigermaßen gerade ist, der Deckel wieder passt und er schließt. Auf dem Weg zum Abendessen darf ich sogar noch einmal im Unglückstaxi mitfahren. Shervin erzählt, dass er für eine Petrochemie-Firma in Qatar arbeitet und das er seine Frau, die in London studiert schon seit einem Jahr nicht gesehen hat. Er bekommt als Iraner kein Visum.
Am darauf folgenden Tag verlasse ich Qom wie auf Zehenspitzen. Ich fahre noch einmal an der Unglücksstelle vorbei und bin ganz schnell heraus aus der Stadt.
In Kashan verbinge einen Tag mit der Besichtigung der herrlichen wieder hergerichteten historischen Häuser reicher Händler. Es sind wirkliche Paläste die vom herbstlichen Licht durchflutet werden.
Fast ärmlich wirkt dagegen das kleine Bergdorf Abyaneh, das auf 2300 Metern eng an einen Berg geschmiegt mit kleinen Häusern aus Lehmziegeln aufwartet. Von diesem Ort geht eine doppelte Melancholie aus. Der Herbst färbt auch hier das Laub und bald wird es bitter kalt sein hier oben. Die wenigen, ausschließlich alten Menschen deuten aber auch darauf hin, dass vielleicht der Herbst generell für dieses Dorf gekommen ist. Wird in 50 Jahren noch jemand in den einfachen Lehmhäusern wohnen, Schafe hüten und den Wein von den Reben über dem kleinen Hof ernten? Oder sind alle in die großen Städte gezogen oder einfach tot?
Auen und Alleen
Esfahan ist wie ich fast keine Stadt im Orient gesehen habe. Alleen durchziehen die Straßen. Ein breiter Fluss wird von mit bunten Kacheln geschmückten Ziegelbrücken überspannt. An den Ufern gibt es grüne Auen und Spazierwege.
In den drei Tagen die ich bleibe, besuche ich natürlich auch den Imam Platz. Der angeblich zweitgrößte Platz der Erde ist umgeben von Geschäften und herrlichen Moscheen.
Außerdem verlängere ich mein Visum ohne Probleme um weitere zwei Wochen.
Als ich am ersten Abend in Esfahan die breite Hauptstraße entlang laufe, finde ich doch tatsächlich ein Geschäft, dass eine Art Donut verkauft, dessen Teig schmeckt wie die Kräppelchen auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt. Das der Donut statt Puderzucker einen Schokoüberzug hat kann ich gut verziehen. Dazu einen Bananenshake und ich bin im siebten Himmel!
Ökologisches Bauen
Die Altstadt von Yazd besteht noch fast ausschließlich aus Lehmziegeln und einem Putz aus Lehmund Stroh. Dieser Baustoff ist wohl der umweltfreundlichste Überhaupt, denn er wird nach ein paar Jahrzehnten, ohne Pflege versteht sich, einfach wieder zu dem was er war....formloser Lehm.
Die schmalen Gasen und die vielen versteckten halb verfallenen Häuser wecken mal wieder den Entdeckergeist in mir. Die nie Ebenen Lehmwände finde ich viel besser als die DIN-Kisten bei uns in Deutschland.
Und natürlich schlafe ich im Silk Road Hotel, dem Treff für Overlander, wie sich Überlandreisende nach Indien gern bezeichnen. In diesem hergerichteten traditionellen Haus treffe ich Stefan aus Esfahan wieder, der mit seiner Yamaha XT 500 unterwegs nach Goa ist. Und auch weitere Gäste mit dem Ziel Indien sind vorhanden. Olli und Erika sind mit dem Fahrrad unterwegs und scheinen schon die ganze Welt auf dem Drahtesel gesehen zu haben.
Und wie es der Zufall will treffe ich auch Chris dort, mit dem ich ein paar Mails ausgetauscht hatte. Sam 1 hatte ihn in der Türkei getroffen und ihm meine Mailadresse gegeben.
Er musste mehr als 4 Wochen auf sein Iran-Visum warten und hat nun nur noch 2 Monate Zeit um nach Hause nach Australien zu fahren. Daher wird er wohl nur bis Indien kommen und sein Bike dann verschiffen.
Nach einem Verschnauftag geht es weiter nach Shiraz. Und von dort demnächst mehr.
Kleriker in Qom
Nette Delle...
Shervin, Dr. Elhami, ich und Mohammad (v.l., Letztere von der Versicherung)
Alles wieder gut...rechts neben mir der Taxiterrorist
3 Millionen Khomeinis...das reicht eine Weile
Traditionelles Haus in Kashan
Gegensatz: Dorfstraße in Abyaneh
Brücke in Esfahan
Imam Square in Esfahan
Hier gibts auch Gas in der Geschmacksrichtung Schoko...find ich leckerer.
Schmale Gassen und...
verfallene Lehmhäuser in Yazd
Eingang Silk Road Hotel...
...und der überdachte Innenhof
5 Kommentare:
Gut, dass Dir nix passiert ist... aber sehr geil beschrieben hab gut geschunzelt und gelacht... "Taxiterrorist"... sehr geil !
lehm . . o.k
Was haben die für Decken ???
Wer ist denn auf den Bildern Mohamed . . und wer bist Du ??
Sylvia und Peter
Wie sieht deine Maschine derzeit aus. Ist sie wieder halbwegs fahrbar?
Um mal die Fragen zu beantworten:
Ja es geht mir gut, hatte nur einen verstauchten Daumen.
Die Decken in den Häusern sind ebenfalls aus Lehmziegeln kunstvoll in ein Gewölbe gebracht.
Wer auf dem Foto Mohammad ist und wer ich kann ich auch nicht mehr sagen...
Die Maschine ist absolut fahrbar und sicher. Die Gabel weicht nach einigem hin und her noch ein kleines wenig vom kurs ab. Ist aber kein Problem.
mäh, mäh, määähhh!
Das ging ja gerade noch mal glimpflich aus, aber he, der Kunden- oder Touri-Service ist doch TOP. Versuch mal in Deutscheland am selben Tag noch Kohle von dem Typen seiner Versicherung zu kriegen - ha ha.
Ich wollte bald noch fragen, wieso du die schöne Moschee südlich von Qom ausgelassen hast, aber die haben ja hunderte von den Dingern. Die sind echt sehr schön anzusehen.
Aporopos, das Bergpanorama in dem Dorf, wie hieß es noch gleich - Aqunieh oder so, muss auch net schlecht gewesen sein.
Gute Weiterfahrt
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