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Freitag, 27. Februar 2009

Vom Strand in die Box

Humpelnde Sitzhilfe sucht den Süden

Nach zwei Wochen in der Hängematte und im Meer in Goa mache ich mich wieder auf den Weg. Zwei Tage vorher begann meine Reiseunruhe wieder auszubrechen. Ich war aufgeladen und wollte etwas Neues sehen, nahm die Karte und den Reisführer zur Hand und begann zu planen. Und als ich von einem der letzten Bäder im Meer zurückkomme, breche ich mir auch noch den linken kleinen Zeh an einer Baumwurzel. Da ich weiß, dass in diesem Fall nichts zu tun ist, humpele ich die nächsten eineinhalb Wochen durch die Gegend. Aber vom weiterfahren hält es mich nicht ab. Und damit mir nicht noch mein Hinterteil weh tut, habe ich mein verlustig gegangenes Schaaffell durch ein Kissen ausgetauscht, Eine kleine Näherei hat mir noch zwei Bändchen zur Befestigung dran genäht. Es sieht albern aus aber was tut man nicht alles für den Fahrkomfort…
Nach einem Zwischenstop im 350 km südlich an der Küste gelegenen Mangalore biege ich ins Inland ab. Nach 30 km steigt die Straße an, die Western Ghats beginnen. Diese Bergkette liegt im Süden des Bundesstaates Karnataka. Ich bin verwundert, dass es hier tatsächlich noch recht unberührten Regenwald gibt in dem sich Affen und viele Vögel tummeln.
In Mysore angekommen beziehe ich ein Hotel ganz in der Nähe des Maharaja Palastes. Diesen, das Eisenbahnmuseum, den Devara Markt und den Tempel auf dem Chamundi Hill besuche ich am nächsten Tag. Die Attraktionen sind nichts Außergewöhnliches aber trotzdem lohnenswert und die Stadt macht einen sympathischen Eindruck. Besonders die Straßenverkäufer, die alle Sorten Obst mundfertig verkaufen bekommen Besuch von mir.
Auf dem Weg zurück zur Küste geht es wieder über Berge mit Teeplantagen und Nationalparks. Ich halte in einem und erkundige mich nach Safaris und Elefantenritten. Aber als mir die Elefantenritte als „joy rides“ verkauft werden sollen, habe ich mal wieder Zweifel am Tierschutz bei solchen Aktionen und fahre weiter.
Wieder an der Küste in Kochin fahre ich durch die ruhige Ortschaft inmitten eines alten portugiesischen Forts und Suche nach einer Herberge. Ich mache vor einem Haus mit der Anschrift „Arche home stay“ halt. Die Familie bietet drei Zimmer ganz oben im großen Haus zur Vermietung an. Es gefällt mir und ich ziehe ein. Der Hausherr war bis vor ein paar Jahren Kapitän auf einem Containerschiff und war weltweit unterwegs. Seine liebenswürdige Frau beantwortet geduldig all meine Fragen nach möglichen Aktivitäten vor Ort und bucht sogar zwei für mich. Die Erste ist eine traditionelle Vorführung des Katakali, eines Tanzes. Die Bemalung der Akteure beobachte ich vor Beginn der Vorstellung. Begleitet durch zwei Trommeln und einen Sänger wird nur eine kurze Szene aus den vielen möglichen Geschichten aufgeführt. Der Demon, der einer Küchenmagd zusetzt, wirkt kindlich, verspielt und unartig. Mal was anderes.
Die Fahrt auf den Kerala Backwaters ist eine Ganztagesbeschäftigung. Zuerst geht es dreieinhalb Stunden mit einem Motorboot durch die vielen palmengesäumten, küstennahen Wasserstraßen und dann mit den unmotorisierten Langbooten in die wirklich engen und flachen Kanäle. Da fährt man wirklich durch das „Hinterhaus“ mancher kleiner Anwesen und bekommt viel mit vom ländlichen Leben der kleinen Leute hier.
Das findet eine junge Österreicherin nicht. Sie meint nach 30 min. an Bord, dass sie lieber die Halbtagesfahrt gebucht hätte, weil es doch jetzt schon langweilig sei. Selbige streichelt wenig später eine Ziege und lässt sich danach gleich von Ihrer französischen Freundin das immer griffbereite Desinfektionsgel geben. Und als einer der Bootsführer fragt ob jemand baden wolle, meint sie nur, dass ihr das wegen dem Billharziose-Risiko nichts ist. Das sind dieselben Leute die in Europa erzählen, man müsse sich in Indien beim Duschen immer den Mund zuhalten (Story von Niklas und Kolja). Warum kommen die hier her? Kopfschütteln…
Ebenfalls erstaunt war ich im Bus auf dem Weg zurück vom Bootstrip über die großangelegte Demonstration der CPI (kommunistischen Partei Indiens). Es gibt sie nur noch in Kerala und in Bengalen aber sie macht mit vielen roten Fahnen, Hammer und Sichel und sogar einem geschmückten Elefanten auf sich aufmerksam.

Weil ich dummerweise erzählt hab, dass ich so gern mal was mit Kokosnuss und Reis essen würde, bin ich bei meiner Gastfamilie zum Abendessen geladen. Die gute Mutter tafelt auf, dass mir die Augen übergehen. Hühnchen in einer Curry-Kokusnuss-Soße, Rindfleischstückchen mit einer leckeren Ummantelung aus einer Art Blütenblatt (es sind übrigens Christen), Gemüse, Reis und Früchte zum Nachtisch. Hätte ich nur meinen Mund gehalten…aber es ist sooo lecker. Und nicht mal bezahlen durfte ich es!
Als einer der Ersten fragt mich der Kapitän AD was ich von der Bootsfahrt halte und was man besser machen könnte. Ich bin erstaunt und gebe ehrlich zu was ich mochte und was nicht. Wenn nur mehr Leute so wären in Indien…

Cape Tribulation

So heißt ein Kap in Australien, dass ich gern wieder sehen möchte. Das südliche Kap in Indien selbst macht keine „Schwierigkeiten“, wohl aber der Weg dort hin.
Irgendwo auf der Strecke überholt mich mal wieder einer dieser neueren und großen indischen Geländewagen. Aus den Fenstern schauen mich vier Gesichter an. Der Wagen schert vor mir ein und geht sofort voll in die Bremsen. Aus den Radkästen quillt der Qualm und ich habe das Gefühl, dass er gar nicht langsamer wird. Ich denke nur „Was willst Du Idiot hier beweisen?“ und ziehe vorbei. Auf gleicher Höhe sehe ich den Grund. Eine Frau rollt gerade von der Motorhaube ab und bleibt wenige Meter weiter liegen. Ich halte sofort an und laufe zurück. Es ist eine ältere Frau, sie atmet und ist bei Bewusstsein. Sie liegt auf der Seite und von irgendwoher am Oberkörper rinnt Blut auf die Straße. Ich laufe zurück zum Bike und krame in Windeseile meine Sanni-Box raus. Zurück bei der alten Frau muss ich mir Platz von der inzwischen aufgelaufenen Menge verschaffen. Dann sehe ich den Grund der Blutung. Sie hat zwei offene Brüche am linken Unterarm. Ein Inder hat schon versucht ein Tuch darum zu binden. Ich ziehe es ab und bereite eine Kompresse vor. Als ich gerade den Verband ansetzen will, werde ich zurückgestoßen, die Frau wird gepackt und auf die Ladefläche eines Polizei-Pickups gelegt. Dann fährt der Wagen los. Ich bin etwas geschockt und muss mich erst mal sammeln. Dann fahre ich weiter.
Nach 100 km will ich in einer kleinen Ortschaft einen LKW überholen als dieser plötzlich versucht abzubiegen. Ich hupe noch und weiche aus aber es bleibt nicht genug Platz. Es gibt einen kurzen Schlag und ich mache eine kleine 180-Grad-Pirouette auf der Seitenkante meines rechten Koffers. Als ich das Bike wieder aufrichte, vermisse ich meinen anderen Koffer. Er liegt 10 Meter weiter an der Straßenecke. Er hatte sich im Radkasten des LKW verfangen und sich dann gelöst. Das ist gut so, denn wenn ein Koffer zu fest an einem Bike ist, kann es viel böser enden. Der Fahrer hatte nach meiner Pirouette schnell den Blinker angemacht und behauptet er hätte doch geblinkt. Hier blinkt keiner, das steht mal fest!
Unter den Augen von 50 Indern hämmere ich mal wieder einen Alu-Koffer mit dem Gummihammer in Form und weil eine der Befestigungen am Koffer samt unterliegendem Aluminium angebrochen ist, verzurre ich ihn auch noch mit ein paar Spanngurten am Träger. Jegliches Hilfsangebot bleibt hier aus. Da denke ich gern an Zeiten im Iran zurück.
Cape Comorin selbst ist unspektakulär und nur Wert eine Nacht zu bleiben.
Die großen Tempelkomplexe in Madurai und Thanjavur sind da schon interessanter, wenn auch grundverschieden. Während in Madurai der Tempelkomplex aus vielen einzelnen überdachten Kammern und dem Pool des goldenen Lotus besteht ist Thanjavur umrahmt von einem großen Säulengang und beherbergt im zentralen Tempel riesigen Linggam.

Tool Time

Nach einem Tag im französisch angehauchten Pondicherry komme ich in Chennai, ehem. Madras, an. Ein paar Tage zuvor hatte mir Ian, den ich mit seinem Bike in Istanbul traf, eine Mail mit einigen interessanten Details geschrieben.
Er hatte vor 6 Wochen sein Bike von Chennai aus nach Singapur verschiffen lassen und war mit dem Logistik-Unternehmen recht zufrieden.
Warum sich nicht mal anhören was die Leute dort erzählen. Also in die Autorikscha und hin. Govias und Govias ist in der Nähe des High Courts und Gratian Govias ist Chef in zweiter Generation. Er erzählt keinen Unsinn und beantwortet all meine Fragen, inkl. Der nach dem Preis, zu meiner Zufriedenheit. Das ganze dauert von der Beauftragung bis zur Ankunft in Singapur zwischen 10 und 14 Tagen. Für das Bike wird eine Box gebaut und diese kommt in einen Container. Der Container kommt auf eines der Schiffe die zwei Mal die Woche nach Singapur fahren. Dort sollte es mit dem Zoll kein Problem geben. Ich verlasse das Büro nach 30 Minuten und verspreche mich mit meiner Entscheidung zurückzumelden.

Ich habe noch mehr als vier Wochen Zeit, bevor ich von Bangkok aus für einen Monat nach Hause fliege. Ich bin seit mehr als zwei Monaten in Indien und langsam habe ich genug. Indien ist kein einfaches Reiseland, es ist besonders in der Art wie ich es bereise ein täglicher Kampf. Und ehrlich gesagt glaube ich auch genug von Indien gesehen zu haben. Mehr dazu ein anderes Mal.

Wieder im Büro bei Herrn Govias bezahle ich die Kosten von 24000 Ruppies (ca. 380 Euro), übergebe die Papiere und wir vereinbaren für den nächsten Tag, dass jemand in mein Hotel kommt und dann mit mir und der Maschine zum Lagerhaus der Firma fährt, wo die Kiste für die Maschine gebaut wird.
Die Kiste wird natürlich nach indischen Standards gebaut…von 4 …nennen wir sie mal…Künstlern. Einer hat die Mütze auf und darf die Kreissäge bedienen …bis der Strom ausfällt. Ich schaue mir das eine Weile an und hake schließlich ein, als die Jungs meinen, die Maschine soll jetzt auf die vorbereitet Palette. „Ihr habt was vergessen… die Kanthölzer unten damit der Gabelstappler drunter kommt.“.“Nee, das machen wir immer so!“. „Das mag ja sein aber das ist mein Bike und so müsste der Stappler längs drunter und die Fuhre könnte kippen.“. Sie müssen natürlich den Chef anrufen und der meint zu mir, dass das teurer wird, wegen Material, Arbeit und vergrößertem Volumen. Da hilft alles Unverständnis nichts und ich muss noch mal 1000 Ruppies drauflegen. Danach übernehme ich das Ruder mehr und zeige den Jungs mal wie eine sichere Bike-Box aussieht. Die wollten tatsächlich einfach nur eine Kiste ringsrum bauen und fertig. Ich nehme das Vorderrad raus und lagere die Vorderachse auf einem Holzbock. Das Heck wird mittels extra angebrachter Verankerungspunkte und meiner Zurrgurte in die Federn gezogen. Die Boxen kommen vorne seitlich dran. Meine Klamotten oben drauf. Helm und Vorderrad wird an das Bike angeschlossen. „Thats a bike box!“. Sie haben verstanden und sind als die Seitenteile und der Deckel drauf ist auch ein wenig stolz. Als sie auch noch eine „hier ist oben“-Schablone und Farbe haben, bin ich besänftigt. Gute Arbeit! Es gibt eine Prämie für jeden.

Im Übrigen ist hier im Bundesstaat Tamil Nadu die Amtssprache Tamil. Es ist eine krasse Sprache bei der viele Laute weit hinten im Mund oder gar mir Rachen gesprochen werden. „Ok“ ist in Hindi (im Norden des Landes) „Acha“ und in Tamil „Ah“…aber so als würde Kermit der Frosch auf dem Zahnarztstuhl zugeben , dass er nicht genug geputzt hat...

Slumdog Oscar

Nun hat dieser in Indien schon seit Ende letzten Jahres hoch gelobte Film Slumdog Millionär wirklich fett bei den Oscars abgeräumt! Und schon beginnt das Gezerre um den Ruhm.
Dieses verfolge ich hier in einer der wenigen guten englischsprachigen Zeitungen und sehe es am Abend im Fernsehen auf CNN. Es ist doch interessant wie im Fernsehen plötzlich vom „englischen Film“ gesprochen wird und Denny Boyle plötzlich Einladungen in Hollywood erhält. Auf der anderen Seite sind die indischen Reporter, die hier einzig und allein eine neue Form des Bollywood-Films sehen…die eben dummerweise von einem englischen Regisseur verfilmt wurde. Kritisch äußern sich einige darüber, dass Indien in einem zu negativen Licht gezeigt wird, mit zu viel Armut und Problemen. Das kann ich nun auch wieder nicht verstehen, denn die Familien die hier in Chennai vor meiner Hoteltür auf den Randsteinen schlafen sind nicht allein im Land.
Jedenfalls will ich den Film sobald wie möglich sehen. Hier in Indien ist das schlecht, denn er kommt hier erst in die Kinos, wenn er in Hindi, Marwati, Tamil, Begal, Punjabi…. synchronisiert worden ist.

Immer mal wieder meinen Dank an alle Leser und Kommentatoren!


Größere Kartenansicht
...kleine Karte zur besseren Orientierung


Da wird nicht gelacht!


Irgendwo auf dem Weg nach Süden


Karnatakas Dschungel


Obstveräufer in Mysore


Ich seh Farben...ohne LSD...geil!


...Schulbus nach Hause


Demon beim Katakali


Kerala Backwaters


schmaler Kanal in den Kerala Backwaters


Cape Comorin


Tempel in Thanjavur


Der Tempel-Ele muss schon sein...


Die Künstler...


...und das Werk

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Desperado!
Puhh, schön das auch diesmal wieder alles gut gegangen ist.
Hast uns diesmal etwas länger schmoren lassen ;-) Aber Erholung muss auch sein.
Was mich stark interessiert, wieviel Kilometer hast Du den seit LE auf der Uhr dazu bekommen ??
Ich wecke meine Suzi auch langsam aus dem Winterschlaf. Mal sehen, was das Wetter im März so bietet.

eine ruhige Überfahrt Euch beiden, Steffen

Anonym hat gesagt…

Määhhhh,
hey Junge, das mit der Zehe ist natürlich ein Jammer, aber he - was solls.
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Ich finds herrlich: Rindfleisch (sind Christen) - einfach köstlich.
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Hast du rausbekommen, was das mit der Frau mit dem gebrochenen Arm für eine Nummer war ?
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Die Kerala Backwaters sehen sehr angenehm aus - eine echte alternative zum Spreewald würde ich sagen.
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Fürs Bike Box bauen hättest du was verlangen sollen, nicht zahlen. Jetzt bauen die nach deinem Muster Superbikeboxen und verlangen das Doppelte - oder sind die Inder nicht so drauf? Die Künstler, ich hab gelacht. Echt jetzt Junge.
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Mensch Sascha Sumatra wär doch auch noch mal n Abstecher wert, oder nicht?
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Ich werd dann bald mal n Abstecher in die Heia machen, morgen früh gehts in den Wald Holz holen und dann will auch noch ein Geburtstagskuchen für Finn gebacken werden und die Schwieschereldern beschäfdicht.

Anonym hat gesagt…

Das Kissen ist ja allerliebst. Da hätte sich doch aber auch farblich noch was machen lassen. Angebote hattest du doch, den Fotos nach zu urteilen.
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Du hast dir also eine Zehe an einer Baumwurzel gebrochen und schüttelst andernorts den Kopf über Leute, die mal kurz die Kontrolle über ihre Ski verlieren? Da schüttel ich doch mal den Kopf zurück. Augen auf in Baumnähe!
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Die Art wie dein Feuerstuhl und das Gepäck in die Kiste gestopft wurde, erinnert mich stark an die holländischen Kombis, die am WE auf der Autobahn unterwegs waren. Hau einfach alles oben drauf, wird schon gehen ;-).

Anonym hat gesagt…

Hi,
na das war ja mal wieder ein besonders spannender Eintrag...Schön, dass der Unfall wieder glimpflich ausgegangen ist. Und der Zeh wird schon wieder heile.

Ich hoffe, es klappt mit einem Wiedersehen bei der Feierabendrunde - Du kommst mit Bart und ich mit Bauch, ja? :-) Danke für Deine Grüße!

Katrin