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Samstag, 26. September 2009

Ein Problem zur Zeit bitte!

Fat Lady 2

53000 km hatte ich diese Zigarre in meiner Alu-Kiste. An einem Tag wollte ich sie mir zu Gemüte führen. Ausgepackt erkannte ich, dass sie wohl irgendwo in Australien verendet ist. Ich versuchte noch ihr das letzte Leben auszusaugen aber die beschädigten Deckblätter ließen nicht viel zu. Trotzdem, sie hat mich die ganze Zeit begleitet und zu meinem Erfolg beigetragen.

Zurück in die Wüste

Das Wetter macht es mir einfach Sydney zu verlassen. Es ist kühler als die vorherigen Tage und der Himmel ist fast vollständig bedeckt. Auf der Straße mit dem großartigen Namen „Great Western Highway“ geht es ins Inland. Nach 60 km wird es kurviger und steigt bis auf über 1000 Höhenmeter an. An zwei Aussichtspunkten halte ich und schaue über die Täler, die durch die Elemente über Jahrtausende in das Plateau geschnitten wurden. Es ist diesig und man hat tatsächlich den Eindruck der Dunst ist ein wenig bläulich. Angeblich sind die Eukalyptusbäume hier dafür verantwortlich.
Ich komme weiter gut voran und denke schon daran mein Tagesziel Bathurst durch ein weiter westlich liegendes zu ersetzen. Langsam gleite ich von den Bergen herab und sehe schon eine weite Ebene vor mir. Nur noch ein Hügel ist zu überwinden. In der Talsohle schließlich bemerke ich, dass mein Hinterrad schlengelt. Mein erster platter Reifen der gesamten Reise. Zweihundert Meter zurück ist eine Einfahrt zu einer Farm. Dort baue ich das Hinterrad aus, lasse die Luft ab, trete den Reifen ins Felgenbett und beginne ihn über die Felgenkante zu hebeln. Das ist ordentlich anstrengend. Der Schlauch hat über fünfzigtausend Kilometer hinter sich und ich nehme es ihm nicht übel, dass er einen Riss hat. Eine andere Ursache ist am Mantel nicht erkennbar. Ich setze meinen Ersatzschlauch ein und breche mir fast die Hände beim Wiedereinbau des Reifenhalters. Dann pumpe ich die Luft auf und Ringe um selbige. Als ich nach fast zwei Stunden alles wieder aufgesattelt habe und schon fast wieder auf die Straße bin, glaube ich mein Popometer spinnt. Doch ein halbwahnsinniger Blick auf den Hinterreifen offenbart die Tatsache, das er wieder platt ist. Wieder alles runter, Reifen raus, Schlauch raus. Ich schwitze und es fliegen erste derbe Worte. Der Ersatzschlauch hat ein Leck. Flicken raus und drauf. Als ich gerade anfange, den Schlauch außerhalb des Reifens aufzupumpen (man lernt ja aus Fehlern), kommt der örtliche Farmer angefahren. Er fragt ob er mir helfen kann. „Hast Du einen Kompressor?“. „Ja sicher oben im Schuppen.“. „Kannst Du bitte mal aufpumpen und schauen ob er Luft lässt. Ich warte hier.“. „Sure, no worries mate!“. Als er wiederkommt, schüttelt er nur mit dem Kopf. „Nein, der lässt immer noch Luft. Meine Frau hat Dich schon vor zwei Stunden von oben gesehen. Pack doch Deinen ganzen Kram auf meinen Anhänger und fahr das Motorrad hoch! Die Sonne geht bald unter und das willst Du doch nicht im Dunkeln machen. Du kannst bei uns schlafen!“. Ich bin geschafft genug um das Angebot anzunehmen. Meine letzte Kraft verbrauche ich als ich neben dem Motorrad herlaufe und es im ersten Gang den Berg hinaufbugsiere. Der Hinterreifen wobbelt dabei auf der Felge herum. Brad stellt mich seiner Frau und seiner Tochter vor. Und dann bekomme ich tatsächlich ein Zimmer, kann duschen und werde gleich mit an den Tisch zum Abendbrot platziert. Es gibt Lamm aus eigener Zucht. Auf der Farm mit mehr als 440 Hektar werden nämlich mehr als 1500 Schafe gezüchtet. Ich erzähle natürlich meine Geschichte und erfahre auch viel über das Farmleben hier. Nicht allzu spät falle ich ins Bett und schlafe wie tot. Am nächsten Morgen mache ich mich gleich wieder daran den Schlauch zu flicken. Ein neuer Flicken wird aufgesetzt und Luftdruck aufgebaut. Aus irgendeinem Grund leckt er immer noch. Es ist zum verzweifeln! Entweder ist der Flicken zu alt oder der Schlauch hat ein Leck an einer neuen Stelle. Leider ist keine Schüssel groß genug, um im Wasser nach dem Leck zu suchen. Ich sage bescheid, dass ich zur Straße laufe und nach Bathurst (14km entfernt) trampen will. Aber das wird gar nicht zugelassen und die Frau von Brad fährt mich natürlich zum nächsten Motorradshop in Bathurst. Keine Stunde später ist ein neuer Schlauch im Reifen und auch ein Ersatzschlauch gekauft. Dann bedanke ich mich für die liebe Unterbringung und fahre weiter.

Nicht alle Probleme auf einmal bitte!!!

Über den Mitchell und den Barrier Highway geht es weiter Richtung Westen. Langsam wird das Land trockener. Am Wegesrand sind viele Blumen. Es muss vor kurzer Zeit hier geregnet haben. Von Willcania aus geht es nach Nordwesten und nach White Cliffs ist bald der Silver City Highway erreicht, der seinen Namen den Silberminen im südlich gelegenen Broken Hill verdankt. Auf dem Weg stehen plötzlich zwei Biker und ich halte. Sie stellen sich als Ian und Rich vor. Sie wollen nach Tibooburra, wie ich. Ian fragt, ob ich an der Rallye teilnehmen will. „Rallye? Nein, aber ich würde gerne dabei sein.“. „Ok, dann treffen wir uns da.“ Und schon sind sie fort. Ich erreiche Tibooburra und sehe sofort jede Menge Geländemaschinen wie meine. Hier bin ich richtig! Ich checke auf dem Campingplatz ein und noch ehe ich mein Zelt voll aufgebaut habe, bin ich schon im Gespräch mit den Nachbarn über die Veranstaltung hier. Der Ulysses Club ist ein Motorradclub für Biker über 50. Juniormitglied kann man ab 40 werden. Ulysses hat über dreißigtausend Mitglieder in Australien und einmal im Jahr trifft sich die Offroad-Fraktion irgendwo im nirgendwo. Schnell bin ich auch hier mit zum Essen eingetaktet und werde einfach mitgenommen. Die Abendveranstaltung enthält genanntes Essen, eine Preisverleihung und eine Tombola. Die Gespräche am Tisch sind sehr interessant. Ian und Rich hatten auf dem Herweg Probleme mit dem Regen. Er hatte eine Piste zu einer Schlammschlacht verwandelt und sie mussten irgendwo am Rand übernachten. Einige haben vor ein paar Jahren die Simpson Desert mit ihren mehr als eintausendeinhundert Dünenquerungen passiert. Die älteren Herren stellen manchmal ganz schöne Dinger an!
Am nächsten Tag verabschiede ich mich und mache mich nach vielen Anderen auf den Weg. Mehrfach geht plötzlich der Motor einfach während der Fahrt aus. Das macht mir Sorgen. Was kann das nur sein? Ich untersuche alle Kabel- und Schlauchverbindungen, kann aber nichts finden. Bei einem meiner unfreiwilligen Stopps hält eine Horde Biker neben mir. Die Herren aus dem Ulysses Club fragen, ob sie mir helfen können. Auf den großen Bikes und mit den Bärten unter den Helmen sehen sie aus wie Ritter aus einer anderen Zeit. Ich lehne ab und folge ihnen mit einigen Kilometern Abstand.
In Camerons Corner treffen die Grenzen der Bundesstaaten Queensland, South Australia und New South Wales aufeinander. Hier halte ich und treffe die Gruppe Biker wieder. In dem Rasthaus am Ende der Welt tanke ich auf und esse etwas. Komischerweise tritt nach dem Tanken mein Problem nicht mehr auf.
Weiter Richtung Osten geht es über mehrere Dutzend Dünen. Zum Glück ist die Piste größtenteils hart. Über die Dünen zu ziehen ist einfach genial. Man betet nur vor jeder, dass man nicht einem entgegenkommenden Geländewagen begegnet und ist oben fast schwerelos. Ein paar Adrinalinstöße verdanke ich den losen „Sandkisten“ hinter manchen Dünen. Da hilft nur Gas und durch. Wir halten alle bevor wir eine Abkürzung nehmen um auf den Strzlecki Track zu gelangen. Einer der Herren (wahrscheinlich der Älteste aber noch topfit) fährt eine vierzehn Jahre alte Honda XR und meint nur „Wenn Großvater fällt, hebt ihr ihn bitte wieder auf!“. Dann tritt er seine XR an und fährt mit einem Wheely in die Piste ein, dass alle nur lachend den Kopf schütteln.
Das Montecollina Bohrloch aus dem permanent warmes Wasser strömt soll eigentlich unser Nachtlager werden. Aber der Platz ist so trostlos, dass es uns nicht da hält. Außerdem ziehen Wolken auf und auf der Piste würde Regen sich nicht gut machen. Am Mount Hopeless trennen sich unsere Wege und die Gruppe fährt Richtung Süden, während ich Richtung Westen fahre. Nach fünfzig Kilometern werde ich plötzlich von einem der alten Wahnies überholt. Ich halte an und frage was los ist. Er meint nur, dass die Piste dort voller Wasser sei und keiner der (neuer Ausdruck) „Softdicks“ Lust auf eine ausgedehnte Schlammschlacht hatte. Dann kommt ein Stück Asphalt und plötzlich spinnt mal wieder mein Bike. Der Hinterreifen vibriert bei hoher Geschwindigkeit und lässt die Schwinge und den Dämpfer ordentlich arbeiten. Was soll das jetzt wieder? Ich kann weiter fahren, überschreite aber die 80 km/h nicht. Als wir das Nachtlager 200 Meter vom Track entfernt aufschlagen, bemerke ich, dass ich meinen Ölkanister vom Heck meines linken Koffers verloren habe. Einer der Riemen hat sich wohl durchgescheuert. Ach, und mein Wassersack hat auch ein Leck. Wenn so viele Dinge auf einmal kommen fühlt sich das irgendwie nicht gut an. Trotzdem ist der Abend am Feuer schön und jede Menge alte Stories werden aufgewärmt.
In der Nacht fängt es an zu regnen und ich schlafe schlecht. Meine sechs Kumpanen fangen tatsächlich gegen fünf Uhr an zusammenzupacken und starten kurz nach Sonnenaufgang um 6:15 Uhr. Das ist mir dann doch zu gehetzt und ich verabschiede mich aus dem Zelt. Mit einem schlechten Gefühl in Bezug auf das eigene Bike allein auf der Piste zurück zu bleiben erfordert schon Mut. Aber die aller Stunde passierenden Trucks lassen mich wissen, dass zur Not jemand da wäre.
Gegen neun starte auch ich und fahre mit 60 km/h endlose zweieinhalb Stunden nach Lyndhurst, wo mir niemand mit meinem Reifen helfen kann. Der dortige Reifendienst hat nur Werkzeug und Material für Auto- und LKW-Reifen. Was jetzt? Nach Nordenwesten über den steinigen Oodnadatta Track Richtung Alice (800 km) oder nach Süden und versuchen im 300 km entfernten Port Augusta alles zu richten. Ich entscheide mich nach Süden abzudrehen. Zur Not könnte ich dann bis nach Adelaide weiterziehen und den dortigen BMW-Dealer einspannen.
Aber mit 60 km/h kann das nicht weitergehen! Ich drehe den hinteren Dämpfer auf „hart“ und ziehe auf der nun asphaltierten Straße ab. Und weil es ja zu langweilig wäre, komme ich auf dem Weg auch noch in einen Staubsturm. Zum Glück kommt der Wind fast die gesamte Zeit aus Norden und schiebt mich damit an. Kurz vor Port Augusta sind die Windschübe aber seitlich und drücken mich zwei Mal von der Straße auf den Seitenstreifen. Zwei Mal fällt die Sichtweite auf unter dreißig Meter. In Port Augusta fahre ich gleich zum nächsten Moped-Heinz und der hat innerhalb von zwei Minuten das Problem gefunden. Die Werkstatt in Bathurst hat leider das Schlauchventil an der falschen Seite der Felge eingesetzt, nämlich dort, do der Reifenhalter hingehört. Und dann wurde natürlich vergessen das Rad neu zu wuchten und die bestehenden Radgewichte waren an der falschen Stelle. Amateure!
Die gute Nachricht ist, dass der Reifen das aber verkraftet hat und weiter brauchbar ist.
Einen Tag verbringe ich in Port Augusta und erledige dieses und jenes. Es stürmt auch an diesem Tag und ich höre mehrere Berichte von fortgesetzten Staubstürmen auf meiner Strecke.
All die Probleme der letzten Tage bringen mich wirklich zum nachdenken. Man kann einzelne Dinge gut wegstecken wenn man Zeit hat. Aber wenn die Probleme so geballt kommen macht das ein ungutes Gefühl. Soll ich zurück nach Sydney fahren? Ich könnte auch dort eine gute Zeit haben, mit Mario was unternehmen oder gar früher nach Hause zu Helge fliegen. Oder soll ich weiter fahren, auch auf die Gefahr hin irgendwo liegen zu bleiben und eine kostspielige Abschleppaktion aus den Weiten Australiens organisieren zu müssen?
Ich versuche zu einer überlegten Entscheidung zu kommen aber es gelingt irgendwie nicht. Mein Gefühl sagt „weiter fahren“! Irgendwie frustriert es mich, dass ich diese Entscheidung nicht über eine reine Abwägung der Fakten treffen kann sondern meinem Gefühl folge. Aber am Ende werden wohl auch so Entscheidungen getroffen.

Rallye-Gefühl

Und so fahre ich über den Stuart Highway Richtung Norden. Coober Pedy ist die erste Zwischenstation. Weiter nördlich wird mir der Stuart Highway zu langweilig und ich beschließe in Kulgera nach Osten wegzubrechen. Nach 149 km Piste erreiche ich Finke. Hier startet einmal im Jahr das legendäre Finke Desert Race. Es geht 220 km über die alte Ghan Eisenbahnstrecke nach Norden. Über fünfhundert Teilnehmer auf Motorrädern, Quads und Buggies starten um an einem Tag nach Alice Springs zu fahren und am nächsten zurück.
Von der alten Eisenbahnstrecke ist nur noch der Bahndamm übrig. Alle Gleise wurden wegen der hier häufigen Sandverwehungen und Überschwemmungen nach Osten verlegt.
Landschaftlich ist die Strecke ein Traum, denn sie führt durch Dünengebiete, Flussbetten, Savannen und Steinwüsten. Durchaus einiger Sand liegt auf der Piste. Aber mit genügend Schwung und Mut spielt das keine Rolle mehr. Übernachtet wird an einer Stelle an dem immer noch ein alter Wasserspeicher für die Dampfloks steht. Ein Feuer wärmt mich und die Sterne sind grandios! Hatte ich erwähnt, dass ich die Hälfte meines Essens irgendwo verloren hab? Einer der Reisverschlüsse hatte sich geöffnet und meine Nudeln und mein Brot verteilt.
Am nächsten Tag jage ich wieder über die Piste und biege nach 20 km ab um mir den Chambers Pillar anzusehen. Die 50 km dorthin sind recht grob. Chambers Pillar an sich ist einfach nur eine große Sandsteinsäule. Ein wenig Death Valley in Australien. Nach weiteren 120 km erreiche ich Alice Springs und fahre gleich beim örtlichen Mopedfritzen vor. Ein paar Reifen habe ich mir schnell ausgesucht, bringe aber mein Zeug zuerst auf den Campingplatz bevor ich die Sohlen wechseln lasse. Beim abladen des Gepäcks fällt mir auf, dass mein Hinterreifen sehr gelitten hat. Risse mit bis zu 2 cm Länge zieren die Stollenränder. Und das nach 3500 km. Ich mochte den Metzler Karoo von Anfang an nicht. Kommt mir nicht mehr auf die Felge!
Die zweite Überraschung stellt sich bei den Koffern heraus. Rings um die Halterungen an der Rückwand sind an mehreren Stellen nette Risse im Aluminium. Da war ich wohl zu schnell auf den Wellblechpisten. Also suche ich noch eine Stunde nach einem Schweißer und finde tatsächlich bei der Transportfirma G&S Mick, der so was macht. Ich lasse die Kisten da und er verspricht die Stellen nicht nur zu schweißen, sondern auch gleich mit hinterlegten 2 mm Alu-Platten zu verstärken. Wie gesagt, so lange es bei einem Problem am Tag bleibt…


Fat Lady 2


Blue Mountains


So bald bitte nicht wieder


Richtung Westen


Hier bin ich richtig!


Camp in Tibooburra


Die Oldies...


Dünenritt


Old Ghan Track


...


Wärme und Licht!

1 Kommentar:

Schäfchen hat gesagt…

Mähhh...
komm zieh durch Junge!
Das war doch bisher alles zu glatt verlaufen. Du bekommst eben deinen laut Statistik fälligen Probleme jetzt zum Ende deines Abenteuers.
Oder:
Australien ist einfach nicht dein Kontinent.
Nur Mut.

Auf Bald.